Brandenburg: „Ich gehe durch ein Fegefeuer“
Zwei Strafen wegen Korruption, trotzdem tritt er zur Landratswahl an: Frank Gerhard über Ermittlungen, Reisen und Teltow-Fläminger Affären
Stand:
Warum ziehen Sie trotz eines Korruptions–Strafbefehls über 25 000 Euro Ihre Kandidatur für den Landratsposten in Teltow-Fläming nicht zurück?
Ich habe bei der Hauptwahl am Sonntag das zweitbeste Ergebnis bekommen, in Kenntnis des drohenden Strafbefehls. In Ludwigsfelde, wo ich Bürgermeister bin, haben mir 53 Prozent das Vertrauen ausgesprochen. Wenn ich jetzt zurückziehe, stünde auf dem Wahlzettel nur noch der Name der Linken Kornelia Wehlan. Ich will aber nicht, dass die Stichwahl zur Farce verkommt, indem sie keine mehr wäre.
Nachdem der langjährige SPD-Landrat Peer Giesecke wegen Korruption gehen musste, schickt die SPD wieder einen einschlägig belasteten Kandidaten ins Rennen. Und Sie sagen auch noch: ein Dienst an der Demokratie?
Ich weiß, dass ich durch ein Fegefeuer gehe. Die Ermittlungen wurden nach meiner Kandidatur eingeleitet. Hätte ich davon gewusst, wäre ich nicht angetreten. Ich habe es angefangen, und bringe es nun zu Ende. Wegducken wäre leichter, ist aber nicht mein Stil. Ich bin von mir aus mit den Ermittlungen an die Öffentlichkeit gegagen. Der Wähler soll entscheiden. Er kann sich ein Bild machen, ob ich korrupt bin, wie es in den Überschriften steht – bei dem mir zur Last gelegten Delikt. Schaut man genauer hin, ergibt sich ein anderes Bild.
Aber Sie sind im Jahr 2010 auf Kosten eines Unternehmens in die Schweiz geflogen, samt Bootsfahrt, Champagner-Empfang und Opernbesuch!
Es war ein Fehler, eine Dummheit, dass der Konzern das bezahlt hat. Dafür stehe ich gerade. Aber, zur Wahrheit gehört auch das: Der Geschäftsführer des örtlichen Firmenablegers hatte mich gebeten, am jährlichen Konzerntreffen in Luzern teilzunehmen. Gemeinsam wollten wir versuchen, den Konzerninhaber zu gewinnen, ein neues Zentrallager in Ludwigsfelde anzusiedeln. Man kann es mir glauben oder nicht: Ich bin nicht gefahren, um zwei Tage die Schweiz zu genießen. Dann hätte ich meine Lebensgefährtin mitgenommen, was mir angeboten wurde, dann wäre ich schon morgens geflogen. Ich bin auch kein Opernfan. Es war für mich keine Vergnügungsreise. Es war Dienst. Nicht die Firma hat gebuhlt, ich war der Buhler.
Die Regeln für Amtsträger sind eindeutig.
Ja, die 1720 Euro hätten ordnungsgemäß von der Stadt Ludwigsfelde bezahlt werden müssen. Es wurde administrativ falsch abgewickelt. Das laste ich mir an. Die Staatsanwaltschaft hält mir aber auch noch vor, dass ich hätte morgens hinfliegen, das Gespräch mit dem Konzernchef führen können, aber abends zurückfliegen müssen. Das kann man so sehen. Die Lebenswirklichkeit ist anders.
Mit Verlaub, Sie sind kein Neuling. In Brandenburg wurde schon in den 90er Jahren ein Baustadtrat in Potsdam verurteilt, weil er sich eine Eigentumswohnung reservieren ließ, die er nie kaufte. Ein Bildungsminister musste gehen, weil er gratis ein Luxus-Auto testete. Warum gingen bei Ihnen keine Alarmglocken an?
Ich habe nicht im Traum einen persönlichen Vorteil in dieser Reise gesehen, für die ich mit 25 000 Euro nun teuer büße. Ich habe mich nicht bereichert.
Lassen Sie es auf einen Prozess ankommen, wie Parteifreunde fordern?
Es ist ein gut gemeinter Rat. Ich lasse das deshalb auch noch einmal prüfen, aber ich sage jetzt schon: Ich habe gemeinsam mit meinem Anwalt auf ein schnelles Verfahren gedrängt. Ich stehe zu meinem Wort. Vorteil bleibt Vorteil, im rechtlichen Sinne würde ein Prozess auch nichts ändern. Allenfalls am Strafmaß.
Hat Sie die Landes-SPD bestärkt, die Kandidatur trotzdem durchzuziehen?
In unserer Partei werden solche Kreisentscheidungen glücklicherweise auf Kreisebene entschieden. Der Generalsekretär hat gesagt, dass es unsere Entscheidung ist.
Sie hatten schon einmal Ärger mit der Staatsanwaltschaft. Im Zuge der Ermittlungen gegen Ex-Landrat Giesecke und diverse Amtsträger im Kreis mussten Sie bereits 2000 Euro Strafe zahlen.
Es ging um Geschäftsessen. Mein Verfahren wurde gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt.
Ist es nicht ein fatales Signal, wenn für Chefs andere Maßstäbe gelten?
Es gibt eben kein zweierlei Maß. All das, was da hochkam, stammt aus der Zeit vor 2011. Seitdem wurden die Regularien in Ludwigsfelde, in der Kreisverwaltung verschärft. Vor dem Gesetz sind alle gleich.
Normalerweise sind politische Maßstäbe strenger als juristische. Warum ist das in Teltow-Fläming anders?
Für mich ist das nicht so. Mein Ansatz ist, dass die Bürger in Kenntnis der Vorwürfe ihre Wahl treffen können.
Waran liegt es, dass sich in Teltow-Fläming die Korruptionsfälle häufen?
Ich habe dafür eine Erklärung der Staatsanwaltschaft gelesen: Wenn ermittelt wird, komme das eine zum anderen, wie ein Dominoeffekt. Vielleicht ist es so. Außerdem sind anonyme Anzeigen als scharfes Schwert in Mode gekommen, leider.
Es kann darauf hinauslaufen, das die Stichwahl an der fehlenden Mindeststimmenzahl scheitert und der neue Landrat dann doch durch den Kreistag gewählt wird. Treten Sie auch dann noch an?
Es ist nicht der Zeitpunkt, darüber zu spekulieren. Das gebietet der Respekt vor der direkten Bürgerwahl. Die Wahlhandlung ist am Abend der Stichwahl erledigt und geschlossen. Die Wahl im Kreistag, wenn sie erforderlich würde, wäre ein neuer Wahlakt. Meine Kandidatur ist am Abend des 14. April definitiv beendet. Entweder erfolgreich, oder nicht erfolgreich.
Das Interview führte Thorsten Metzner
Frank Gerhard, Jahrgang 1966, ist seit 2008 Bürgermeister in Ludwigsfelde und Kreischef der SPD in Teltow-Fläming. Der Verwaltungswirt ist seit zwanzig Jahren in Kommunen tätig.
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