Brandenburg: Ihr Gespür
Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst gilt als durchsetzungsstark – sie wäre die zweite Uni-Präsidentin Berlins
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Berlin/Potsdam - Quälend lange hat die Humboldt-Universität nach einer neuen Leitung gesucht – nun ist in Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) eine Kandidatin für die Präsidentenwahl gefunden. Berlins Wissenschaftssenatorin Sandra Scheeres (SPD) reagierte erleichtert: „Hervorragend, dass sich Professorin Sabine Kunst bereit erklärt hat“, teilte sie mit. Die öffentliche Debatte der letzten Wochen habe unterstrichen, welche Qualitäten an der Spitze der Universität gefragt sind: „Wissenschaftliche Expertise, Managementstärken, Teamfähigkeit sowie politisches Gespür.“ Kunst sei für die Aufgabe genau die Richtige.
Der Humboldt-Uni war im November überraschend ihr Präsidentenkandidat abhanden gekommen. Der Würzburger Mediziner Martin Lohse hatte erklärt, er fühle sich abgeschreckt vom hohen Reformbedarf in der Verwaltung der HU, besonders, da die Universität sich trotzdem weigere, ihre Leitung durch einen Kanzler zu professionalisieren. Der an der HU nicht durchsetzbare Kanzler war auch der Grund für den Amtsinhaber Jan-Hendrik Olbertz, nicht noch einmal zu kandidieren. Lohse bewarb sich jedoch zeitgleich um die Leitung des Max-Delbrück-Centrums (MDC) in Berlin-Buch. Nach unbestätigten PNN-Information soll sich der Aufsichtsrat des MDC in der vergangenen Woche denn auch für Lohse entschieden haben.
Kunst, Professorin für Biologische Verfahrenstechnik, lässt sich von der Debatte über die Verwaltung der HU jedenfalls nicht abschrecken. Sie hat viel Leitungserfahrung, gilt als durchsetzungsfähig und wurde 2011 vom Centrum für Hochschulentwicklung und der „Financial Times Deutschland“ zur „Hochschulmanagerin“ des Jahres gewählt.
Bevor der damalige Ministerpräsident Matthias Platzeck die damals noch parteilose Kunst im Jahr 2011 in sein Kabinett holte, war sie Präsidentin des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), leitete vier Jahre die Universität Potsdam und war Mitglied im Rundfunkrat des rbb. Als Sabine Kunst 2006 nach Brandenburg kam, wollte die damalige Professorin der Universität Hannover ins Hochschulmanagement wechseln, sie wollte gestalten. Dafür wurde sie vom Senat der Potsdamer Universität dann auch einstimmig zur Präsidentin gewählt.
Mit einem Ehrendoktor würdigte die American Jewish University Los Angeles Kunsts Engagement für die Einrichtung des Studiengangs Jüdische Theologie in Potsdam. Mit ihrer Bewerbung um das Rektorenamt in Leipzig war Kunst im Jahr 2011allerdings gescheitert.
Kunst ist im Auftreten freundlich, aber keineswegs konfliktscheu. Als Ministerin in Brandenburg setzte sie vor drei Jahren gegen erhebliche Widerstände die Fusion der BTU Cottbus mit der Hochschule Lausitz durch. Nachdem der designierte Gründungspräsident der neuen Hochschule BTU Cottbus-Senftenberg, der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Jochen Zimmermann, im Streit absagte, forderten die CDU-Opposition und der damalige Cottbuser Oberbürgermeister Frank Szymanski (SPD) Kunsts Rücktritt.
Wird Kunst mit den Gremien der HU besser klarkommen als ihr Vorgänger Jan-Hendrik Olbertz? In der Regel strebe sie eine „Koalition der Vernunft“ an, hat Kunst einmal erklärt. „Das bedeutet auch, anderen zuzuhören, auf andere zuzugehen und mit Argumenten zu überzeugen.“ Pflegt sie diesen Stil, käme das an der Humboldt-Uni sicher gut an. Dort muss Kunst nicht nur die Verwaltungsreform anpacken, sondern nach den Querelen auch das Gemeinschaftsgefühl neu beleben. Schließlich muss die HU sich für die nächste Exzellenzinitiative zusammenraufen. Zugleich steht die Uni womöglich vor neuen Verteilungskämpfen, wenn sie für ihren Strukturplan die Zahl der Professoren in den einzelnen Fachgebieten festlegen muss. Im nächsten Jahr beginnen die Verhandlungen über neue Hochschulverträge mit dem Berliner Senat.
Würde Kunst von der HU gewählt, wäre die Mutter von drei erwachsenen Kindern, die mit ihrem Mann in Werder an der Havel wohnt, in der Berliner Universitätsgeschichte erst die zweite Frau, die eine Uni leitet – nach Marlis Dürkop, die von 1992 bis 1996 Präsidentin der Humboldt-Universität war.
An der HU wird gehofft, dass Kunst, sollte sie gewählt werden, ihr Amt im April antritt. Anja Kühne (mit kix)
Anja Kühne (mit kix)
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