Brandenburg: Im Blick
Berlin: Am Südkreuz startete der Testlauf zur Gesichtserkennnung – unter Protest von Anwälten
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Berlin - Der Mann mit der Leuchtweste, der auf dem Weg zur Arbeit ist, hat eine klare Meinung. „Das ist nur ein Placebo“, sagt er. „Mich überzeugt es erst, wenn dadurch wirklich mal ein Straftäter gefangen und von einer funktionierenden Justiz verurteilt wird.“ Die Rede ist von der Gesichtserkennung, Ort des Geschehens der Bahnhof Südkreuz in Berlin.
Seit Dienstag läuft hier ein Pilotprojekt, das eine Antwort auf die Frage bringen soll, ob bekannte Gesichter in einer Menschenmenge gefunden werden. Das Pilotprojekt wird mit 300 Freiwilligen gemacht. Es soll sechs Monate dauern und wird getragen von Bundesinnenministerium, Bundespolizei, Bundeskriminalamt und Deutscher Bahn. Im Erfolgsfall wäre zu prüfen, ob mit der Technik potenziell auch Gefährder schon vor einer Tat gefasst werden könnten. So deutlich will Jens Schobranski, Sprecher der Bundespolizei, das jetzt aber nicht sagen. „Angenommen, ein Kind wird vermisst, dann könnten Fotos von ihm eingespeist werden und die Kameras würden das Kind vielleicht finden“, erklärt er. Jedenfalls könne ein Mehr an Videotechnik auch ein Mehr an Sicherheit bringen.
Das sieht der Deutsche Anwaltverein (DAV) anders. Für eine flächendeckende Gesichtserkennung in Deutschland gebe es zwar die Technik, aber nicht die Rechtsgrundlage. Deswegen hat sich auch der DAV mit mehreren Mitgliedern postiert. „Die Gesichtserkennung und die jüngsten Sicherheitsgesetze stellen eine verfassungsrechtlich brisante Kombination dar“, sagt DAV-Präsident Ulrich Schellenberg. Er verwies auf das neue Pass- und Personalausweisgesetz, das es den Behörden erlauben soll, biometrische Passbilder abzurufen. Der DAV sieht die Freiheitsrechte in Gefahr, bei absehbar geringen Erfolgen: „Was machen wir denn, wenn ein Gefährder auf dem Bild erkannt wird?“, fragt Schellenberg. „Fahren wir dann los und sprechen ihn an? Er hat ja das Recht, sich frei zu bewegen.“ Die Überwachung erzeuge ein einschüchterndes, unfreiheitliches Klima. Tatsächlich erkennt die Kamera zuvor eingespeicherte Personen, auch zum Beispiel mit Sonnenbrille.
Passanten interessieren sich für das Pilotprojekt kaum. Manche verlangsamen ihren Schritt, um die auf den Boden aufgeklebten Schilder mit der Aufschrift „Erkennungsbereich“ und „keine Gesichtserkennung“ kurz zu lesen, gehen aber weiter.
Kann die Kamera auch erkennen, wenn jemand auf dem Bahnhof komisch herumschleicht und sich irgendwie atypisch verhält? Jens Schobranski sagt: „Wir von der Bundespolizei sind ja ständig auf Bahnhöfen, mit geschultem Auge können wir sehr schnell erkennen, wer sich normal verhält und wer auffällig.“ In die Software müsse das erst eingespeist werden. Der Testlauf diene jetzt aber erst mal dazu, festzustellen, wie gut die Technik sei und was sie schon könne. Dann müsse man dem Gesetzgeber Gelegenheit geben, aktiv zu werden. Auf die Frage, ob die Technik zur Terrorabwehr tauge, weicht er aus. „Auch das wäre denkbar, aber da sollten Sie lieber den Minister fragen“, sagt er. Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) will sich am 24. August die Technik im Bahnhof ansehen und das Projekt dann offiziell vorstellen.Fatina Keilani
Fatina Keilani
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