Brandenburg: Im Dressursattel zum Abitur
An der Gesamtschule Neustadt/Dosse wird die bundesweit einzige Reitspezialklasse unterrichtet
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Neustadt/Dosse – Lehrer Hendrik Falk schaltet den CD-Player ein. Der beruhigende Soundtrack von „Jenseits von Afrika“ schallt durch die Halle - gemeinsam mit seinem Kommando an die Schüler: „Antraben uuuund Aussitzen!“ Fünf Pferde traben im Kreis um ihn herum, und für die jungen Reiter heißt es nun, Haltung zu bewahren. Die Übungsstunde, die wie Ferien auf dem Reiterhof anmutet, ist eine ganz normale Unterrichtsstunde der 10. Klasse.
Was für die Schüler der Neustädter Gesamtschule Alltag ist, ist für den Rest der Bundesrepublik etwas Einmaliges. Nur hier, in unmittelbarer Nähe zum Brandenburgischen Haupt- und Landgestüt, wird eine Reitspezialklasse ab dem 7. Schuljahr sowie Unterricht im Wahlpflichtfach Reiten angeboten. „Andere Schulen haben allenfalls eine Arbeitsgemeinschaft Reiten - bei uns jedoch ist Reitsport ein versetzungsrelevantes Unterrichtsfach“, erläutert Gesamtschul-Reitlehrerin Christiane Uhle.
Über 130 der etwa 500 Neustädter Schüler der Klassenstufen 7 bis 13 nutzen die Chance, zum Schulabschluss zu reiten. „Sie kommen aus Brandenburg und Nordrhein-Westfalen, aus Südafrika, Norwegen oder Holland“, sagt Uhle. Eine davon ist die 15-jährige Marcha Oldenziel, die mit dem Wallach „Gustav“ gerade das fehlerfreie Angaloppieren übt. In Holland geboren, zog sie mit ihren Eltern und ihrer Schimmelstute „Sonata“ nach Brandenburg und wohnt in der Woche im Neustädter Internat.
Bei Marcha dreht sich alles ums Pferd. „Seit ich klein war, hab ich mich dafür interessiert und will daraus später auch einen Beruf machen“, betont die junge Reiterin. Ihr Engagement hat sich gelohnt: Bei den Neustädter Hengstparaden im September führte sie mit anderen Nachwuchsreitern das Schaubild „Ein bisschen Frieden“ vor.
Doch wer im „Sanssouci der Pferde“ Spezialunterricht erhalten will, muss über Hürden springen: In Eignungsprüfungen werden Pferdekunde, Dressur- und Springreiten getestet. Die nächsten Prüfungen finden am 25. November statt. Für die Reitspezialklasse, die als Begabten- und Talenteförderung im Spitzensport zu sehen ist und in diesem Schuljahr zum zweiten Mal angeboten wird, sind ein bis zwei turnierfähige eigene Pferde mitzubringen. Auf die Eltern kommen monatliche Kosten von etwa 700 Euro zu. „Dafür können wir wirklich Talente fördern“, freut sich Uhle.
Dass die Lektionen weit über das richtige Satteln der Pferde und das Üben von Hufschlagfiguren hinaus gehen, zeigt schon der Unterrichtsbeginn von Gestüts-Reitlehrer Falk in der Stallgasse. Vor dem Putzen der Pferde, gibt es von ihm eine kleine philosophische Lebensweisheit. „Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance“ - lautet der Spruch der Woche, der zur Diskussion steht. „Was bedeutet das aus reiterlicher Sicht?“ fragt er in die Runde. Nicht nur das Pferd merke sich die erste Begegnung mit einem Reiter, auch für die Richter bei Reitprüfungen sei der erste Eindruck maßgeblich, so die Antworten der Schüler. Doch damit nicht genug: „Reiten lernen können die Kinder auch anderswo - wir wollen hier jungen Menschen Sozialkompetenz, Disziplin, Geduld und Teamgeist vermitteln“, umreißt Falk das Klassenziel.
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