Von Alexander Fröhlich: Im Jubel wandern
Petitionsausschuss setzt ein klares Zeichen – nun deutet alles auf ein baldiges Aus für das Bombodrom hin
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Berlin/Wittstock – Für den 13. Juli hat die Bürgerinitiative „Freie Heide“ noch eine Protestwanderung gegen den Luft-Boden-Schießplatz in der Kyritz-Ruppiner Heide im Plan. Eine von vielen wie in der Vergangenheit, dabei deuten alle Zeichen auf ein baldiges Aus für die Pläne der Bundeswehr auf dem 14 000 Hektar großen Areal in Nordbrandenburg hin. Das jüngste Zeichen gegen 8500 Tiefflüge im Jahr samt komplexen Gefechtsübungen von Bodentruppen gab gestern der Petitionsausschuss des Bundestages. Seit 2003 liegen die Eingaben der Bombodrom-Gegner dort, 2007 gab es einen Vorort-Termin des Ausschusses, noch Herbst 2008 drohte ein Beschluss des Gremiums für die militärische Nutzung. Gestern aber - sechs Jahre später – fand die Geschichte ein Ende.
Denn der Ausschuss fasste einen weit reichenden Beschluss. Nach dem üblichen Procedere dürfte der Bundestag Anfang Juli die Vorlage durchwinken – und sich damit überhaupt zum ersten Mal gegen das Bombodrom aussprechen. In der Vorlage werden die Anliegen der Gegner als „grundsätzlich berechtigt“ bezeichnet. Verwiesen wird auf die Folgen für den Tourismus durch den Fluglärm sowie auf den seit 1992 währenden Rechtsstreit. Jedenfalls soll der Beschluss der Bundesregierung „zur Erwägung“ überwiesen werden, die „nach Möglichkeiten der Abhilfe“ suchen soll. Es handelt sich um die zweithöchste Dringlichkeitsstufe, weshalb Grüne und Linke im Petitionsausschuss die Vorlage abgelehnten. Sie wollten das stärkste Votum – „zur Berücksichtigung“ - erreichen.
Weitaus stärker ins Gewicht fallen die Stimmen der Regierungskoalition aus SPD und Union. Die brandenburgische Grünen-Abgeordnete im Bundestag, Cornelia Behm, erklärte denn auch im Anschluss: „Wenn sich beide Fraktionen der Großen Koalition gegen das Bombodrom aussprechen, dann ist das Regierungsmeinung.“ Freie Heide-Sprecher Benedikt Schirge nannte das Votum „historisch“, dies sei „Richtungswechsel“ auf bundespolitischer Ebene.
Ausgelöst hatte dies das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg (OVG) Ende März mit einem Urteil, das die militärische Nutzung des Geländes untersagt. Seit Freitag liegt der Richterspruch schriftlich vor. Reiner Geulen, Anwalt der Bombodrom-Gegner, sagte, es falle vernichtender aus, als in der mündlichen Verhandlung. Eine Revision vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hätte Chancen „zwischen null Prozent und null Promille.“ Das Urteil bezeichnet die Betriebserlaubnis für das Bombodrom aus dem Jahr 2003 als rechtswidrig, „weil die Belange der Kläger nicht ermittelt worden sind“. Ein klarer Verstoß gegen den „Grundrechtsschutz“. Bislang kostete der 16-jährige Rechtsstreit rund 850 000 Euro, der Bundeswehr wegen der verlorenen Klagen 600 000 Euro. Das Geld der Bürgerinitiativen in Brandenburg und Mecklenburg kommt aus dem Etat dutzender Kommunen und von Spendern.
Die Verteidigungspolitiker der großen Koalition sind schon so weit, die SPD empfiehlt den Verzicht auf das Bombodrom, so steht es im Bundestagswahlprogramm. Und ein Verteidigungsexperte der CDU im Bundestag sagte gestern den PNN, die Politik habe sich längst gegen das Bombodrom entschieden, aber die Bundeswehr-Verwaltung ziere sich noch. Nach ewigem Rechtsstreit sei es an der Zeit für eine Entscheidung, weitere Jahre der Ungewissheit seien Anwohnern und Bundeswehr nicht zuzumuten. Daran erinnerten Vertreter der Initiativen „Freie Heide“, „Freier Himmel“ und „Pro Heide“ gestern in Berlin Verteidigungsminister Franz Josef Jung (CDU). Und die Protestwanderung am 13. Juli? Bis genau dahin kann das Verteidigungsministerium gegen das OVG-Urteil Revision einlegen. Vielleicht wird es eine Jubel-Wanderung.
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