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Brandenburg: Im Kampf gegen die Hydra

Mehr Einbrüche, weniger aufgeklärte Taten: Auch der Innenminister will mehr Polizei im Land

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Potsdam - Der Minister hätte mit dem Antrag in der Sache offenkundig leben können. „Das ist nicht zu kritisieren. Man sieht: Wir haben in vielen Fällen die gleiche Wahrnehmung“, sagte Brandenburgs Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Mittwoch im Landtag, als es wie so oft in den letzten Jahren um Kriminalität im Lande und die vermurkste und inzwischen gestoppte Polizeireform ging. Zur Debatte stand diesmal ein umfangreicher Antrag der CDU-Opposition, in dem vor allem eine deutliche Aufstockung der Kriminalpolizei von derzeit 1966 auf 2150 Stellen, beim Wach- und Wechseldienst von 2063 auf 2400 Stellen gefordert wurde – begründet mit den drastisch gestiegenen Wohnungseinbrüche im Land. Eine andere Forderung lautet, die Präsenz von Funkstreifenwagen – im Schnitt sind 100 im Einsatz, versprochen waren 124 – auf mindestens 133 zu erhöhen.

Es war ein Antrag, der in den zuständigen Fachausschuss zur weiteren Beratung überwiesen werden sollte, was am Ende mit den Stimmen der rot-roten Regierungskoalition, wie üblich bei Oppositionsanträgen, abgelehnt wurde. Dabei hatte Schröter nicht mal eine Empfehlung dazu abgegeben.

In der Debatte selbst kritisierte CDU-Innenexperte Björn Lakemacher „schwere Versäumnisse“ in der Innenpolitik des Landes, bei der ihm inzwischen der vierte Innenminister gegenüberstehe. Er warf Rot-Rot vor, die Sicherheitslage immer noch nicht ernst zu nehmen, gegen Wohnungseinbrüche zu wenig zu tun. Es komme immer wieder vor, dass es keine Spurensicherung gebe, weil gar keine Kriminalpolizei am Tatort erscheine, und „dass der erste Angriff in Brandenburg aus Personalmangel und verfehlter Organisation nicht in der erforderlichen Fachlichkeit stattfindet“.

Gegen den Vorwurf, die Lage nicht ernst zu nehmen, verwahrte sich Schröter. „Auch wir wissen, was los ist.“ Er erinnerte daran, dass Regierung und Koalition 2015 den ursprünglich beschlossenen Abbau bei der Polizei auf 7000 Stellen gestoppt hätten. Derzeit sind es noch 8067 Stellen, von denen aktuell 8020 besetzt sind. Und es werden wieder mehr, versicherte Schröter. Derzeit werde der Doppelhaushalt 2017/2018 aufgestellt: „Gehen Sie davon aus, dass wir mehr Stellen erhalten werden.“ Bislang sind es 8100, Schröter forderte bislang 8300, stieß dabei aber auf Widerstand vor allem in der Staatskanzlei. Aber selbst mit mehr Personal gleiche der Kampf gegen Einbrecherbanden besonders im Berliner Umland dem gegen eine Hydra, so der Minister. „Kaum ist eine Gruppe gefasst und eingesperrt, ist in der Regel die nächste da.“

Tatsächlich ist die Zahl der Wohnungseinbruchsdiebstähle in Brandenburg im Vergleich zu 2014 um 11,2 Prozent auf 4436 Fälle angestiegen. Seit 2010 hat sich in Brandenburg die Schadenssumme bei Wohnungseinbruchsdiebstählen auf 11,2 Millionen im Jahr 2015 Euro fast verdoppelt.

Anders als der Innenminister hatten die Koalitionsredner von SPD und Linken ein Problem mit dem CDU-Antrag. Linke-Innenpolitiker Hans-Jürgen Scharfenberg hielt der Union „Arroganz, Radikalität und mangelndes Realitätsbewusstsein“ vor. Der Antrag laufe auf 8700 Polizeistellen hinaus, baue Luftschlösser. Und der SPD-Abgeordnete Sören Kosanke warf der CDU vor, in die innere Polizeiorganisation eingreifen zu wollen. „Das ist nicht Aufgabe der Politik, sondern des Polizeipräsidenten.“

In keiner Rede fehlte der Dank an die Polizisten im Land. Der altgediente Abgeordnete Christoph Schulze von den Freien Wählern, seit 1990 im Landtag, bis 2009 Innenexperte der SPD-Landtagsfraktion, sagte: „Die Menschen im Lande wissen doch, was los ist, dass bei der Polizei alles auf Kante genäht ist.“ Es reiche hinten und vorne nicht. Zwar sei Schröter dabei, dass es sich zum Besseren wendet. „Wir können nur hoffen, dass er sich in der Regierung durchsetzen kann.“ Dafür rügte Schulze das Niveau der Parlamentsdebatte selbst: „Wir hatten das, was wir immer hatten: Parteipolitik vom Feinsten, Rechthaberei, Vertuschung, ein gehöriges Maß an Naivität.“ Einzig die Grünen-Abgeordnete Ursula Nonnemacher sparte Schulze aus.

Die hatte in einer sehr sachlichen Rede ohne jede Polemik darauf verwiesen, dass sich die Einbruchskriminalität in Brandenburg seit 2010 um 56 Prozent erhöht habe, die Aufklärungsquote aber im gleichen Zeitraum um zehn Prozent zurückgegangen sei. Die CDU – und auch Polizei und Innenminister – führten die Wohnungseinbrüche vor allem auf osteuropäische Banden zurück. „Bei einer solch niedrigen Aufklärungsquote frage ich mich schon, wie man sich da so sicher sein kann“, sagte Nonnemacher. Sie sprach sich zwar gegen CDU-Forderungen nach Ausweitung der Schleierfahndung oder umstrittene Softwareprogramme aus, die prophezeien, „wo und wann mit dem nächsten Einbruch zu rechnen ist“. Bei der Orakel-Software sei aus Datenschutzgründen Vorsicht geboten. Doch auch die Grünen fordern mehr Polizisten im Land. Wie alle Parteien im Landtag. Aber wie?

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