Brandenburg: Im Taxi heim nach Bagdad Behörde will Mann zur Rückkehr in Irak zwingen
Frankfurt (Oder) - Flüchtlinge aus dem Irak sind in den vergangenen Jahren nicht in ihre Heimat abgeschoben worden. Zwar wurde kein formaler Abschiebestopp verkündet, de facto aber war er bundesweit in Kraft.
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Frankfurt (Oder) - Flüchtlinge aus dem Irak sind in den vergangenen Jahren nicht in ihre Heimat abgeschoben worden. Zwar wurde kein formaler Abschiebestopp verkündet, de facto aber war er bundesweit in Kraft. Im November hat die Innenministerkonferenz diese Praxis bekräftigt. Ausnahmen sollen nur für Iraker gelten, die in Deutschland straffällig wurden und aus dem Norden des Landes stammen. Alle anderen irakischen Flüchtlinge werden derzeit nicht abgeschoben.
Umso mehr wunderte sich der Berliner Rechtsanwalt Ulrich von Klinggräff, dass die Ausländerbehörde Frankfurt (Oder) einem irakischen Flüchtling jetzt die Duldung verweigerte und ihn aufforderte, Deutschland zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu verlassen. Den Hinweis des Anwalts auf den bundesweit geltenden Abschiebestopp in den Irak fand das Amt in seinem Antwortschreiben zwar „richtig, aber nicht beachtlich, da Ihr Mandant selbst freiwillig auszureisen vermag.“
Danach listet die Behörde auf einer ganzen Seite Möglichkeiten zur freiwilligen Rückkehr auf: So könne man nach Jordanien fliegen, in Amman ein Taxi mieten und nach Bagdad fahren. Auch eine Rückkehr über Syrien sei nicht völlig unmöglich. Immerhin seien schon einmal Iraker über Syrien eingereist – im Oktober 2003.
Bundesweit agierende Flüchtlingsorganisationen sprechen von „Zynismus“, den sie bislang nicht erlebt hätten: „Uns ist kein Fall bekannt, in dem Iraker keine Duldung erhielten“, sagt Marei Pelzer von „Pro Asyl“. Angesichts der bürgerkriegsähnlichen Zustände, der täglichen Anschläge mit insgesamt Tausenden von Opfern, sei es inhuman, von einem Menschen zu verlangen, freiwillig dorthin zurückzukehren. Allerdings befürchten Hilfsorganisationen, dass die geplanten Abschiebungen von Kriminellen in den Nordirak der Anfang eines Kurswechsels in der bisherigen Politik der Bundesrepublik sein könnten. Sie kritisieren, dass nach dem Sturz von Saddam Hussein schon Tausenden Irakern der Status als politischer Flüchtling aberkannt wurde. Diese „Widerrufsverfahren“ ignorierten die desolate Sicherheitslage, heißt es. Außerdem hätten Iraker nach der EU-Qualifikationsrichtlinie Anspruch auf eine Aufenthaltserlaubnis. Die sehe einen Anspruch auf Schutz vor, wenn ernsthafter Schaden für Leben und die Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt drohe.
Sein Mandnat sei durch das Verhalten der Ausländerbehörde in Frankfurt extrem verunsichert, sagt sein Anwalt von Klinggräff. Behördenmitarbeiter hätten mündlich gedroht, ihm angesichts der nicht vorhandenen Duldung die Sozialleistungen zu kürzen. Der 38-Jährige, der seit sieben Jahren in Deutschland lebt, wirke verzweifelt: „Vielleicht ist es ja das, was die Ausländerbehörde bezweckt.“ Die Sprecherin der Stadt Frankfurt, Vera Kubler, bestritt dies auf Anfrage allerdings energisch. Und kündigte an, dass die Behörde angesichts der zahlreichen Proteste ihren Beschluss noch einmal überprüfen wird. Sandra Dassler
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