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Von Johann Legner, Tel Aviv: In fremden Welten angekommen

Matthias Platzecks ist zum vierten Mal in Israel. Brandenburg, findet er, muss internationaler werden

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Als er vor zwei Dutzend Brandenburger Unternehmer in einem Tel Aviver Hotel seine Beziehung zu Israel darlegt, wird Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) persönlich. Sein Opa, ein Pastor, habe die Reise nach Jerusalem nie geschafft. „Wenn du dort einmal hinkommst, wird diese Stadt dich nie wieder loslassen“, habe er aber gesagt und damit Recht behalten. Und wer den Potsdamer Regierungschef schon öfter begleitet hat, merkt auch an diesem Montagabend schnell, dass seine Reisen dorthin etwas Besonderes sind. Seit 2007 hat er „nicht zuletzt als Christenmensch“ jedes Frühjahr das Land besucht. Israel ist für ihn die besondere Herausforderung.

Natürlich begleiten ihn auch auf dieser Reise einige Unternehmer des Landes auf der Suche nach neuen Märkten oder Geschäftspartnern. Brandenburg sei mit einer ungewöhnlich großen Delegation angereist, sagt der Betreuer der deutschen Botschaft. Aber die üblichen Treffen mit Wirtschaftsvertretern, die eine oder andere Nachricht über mögliche Investitionen steht diesmal nicht im Mittelpunkt des Interesses. Als Platzeck am Sonntagabend anreist, beginnt in Israel landesweit der Gedenktag an die Millionen ermordeter Juden im von Deutschen beherrschten Europa. Der Ministerpräsident sitzt mitten unter Hunderten von Menschen in einer Veranstaltung der Regierung, auf der ihn keiner begrüßt und hört zu, zusammen mit einigen ebenfalls aus Brandenburg angereisten Jugendlichen, versteht die Sprache nicht und versteht doch, dass für ihn kein Platz wäre als Ehrengast. Tags darauf kommt er an in einem Konflikt, an dem schon ein halbes Dutzend US-Präsidenten und Bundesaußenminister gescheitert sind, einem Konflikt zwischen Juden und Arabern, der wiederum ohne den Völkermord nicht zu verstehen ist. Da begrüßen ihn, ganz wie in Brandenburg Sozialarbeiter und eine Schuldirektorin mitten in den sozialen Brennpunkten Israels und Ostjerusalems, dem völkerrechtlichen Niemandsland. Da überreicht er einen Scheck und stellt Fragen, die er auch in der Uckermark stellen könnte und weiß doch ganz genau, dass es hier im Grunde um ganz andere Fragen geht – um Frieden und Krieg, um Leben und Tod. Nirgendwo sonst in der westlich geprägten Welt sind die Probleme größer, ist ihre Lösung weiter entfernt und die Hoffnung öfter gestorben als in Israel. Und doch ist der Judenstaat der einzige, der den Potsdamer wirklich gefangen genommen hat – als ob ihm die Normalität des Westens bis heute nicht geheuer wäre.

Am gestrigen Mittwoch dann führt ihn die Reise nach Ramallah. Er trifft sich mitdem palästinensischen Innenminister Saed Abu Ali und Wirtschaftsminister Hasa Abu-Libdeh, spricht über eine Polizei-Kooperation und übergibt an der Universität Bir Zeit in der Nähe von Ramallah das erste von vier mobilen Tele-Teaching-Systemen für palästinensische Universitäten übergeben. Es sind Spenden von der Universität Potsdam. Platzecks Abstecher ist die erste Unternehmerreise eines deutschen Bundeslandes in die palästinensischen Gebiete.

Ramallah, das ist das Kontrastprogramm zu Israel, wo Platzeck zuvor auf Firmen traf, die zwar am Ufer des Mittelmeeres arbeiten, genau so gut aber an das Mekka der Moderne, an den Pazifik in Kalifornien passen. Unternehmen, die davon leben, kreative Alternativen an Wertschöpfung zu entwickeln zur unschlagbaren Billigfertigung der asiatischen Riesenreiche. Die braucht Brandenburg, um die bemüht sich Platzeck – hier kämpft er um den Anschluss an die Lösungen, die Hoffnungen der freien Welt. Er sagt, dass Brandenburg „internationaler“ geworden ist und weiter werden muss. Er freut sich über die Netzwerke, die allmählich entstehen, an denen beispielsweise SAP-Gründer und Milliardär Hasso Plattner seinen Anteil hat, der mit Eran Davidson einen Israeli nach Potsdam brachte, um bei Hasso Plattner Ventures (HPV) Risikokapital so zu verteilen, dass es Wege öffnet in die neue Zeit.

Platzeck ist in Israel ein Politiker der auf sehr subtile Weise die Widersprüche sucht, die auch sein eigenes Land prägen – ein Haufen scheinbar unlösbarer Probleme, denen man mit Tippelschritten zu Leibe rückt und dann wieder den Wunsch, dass sie verschwinden könnten im großen, schnellen Wurf der Zukunft. Platzeck ist in Tel Aviv in fremden Welten und doch wieder angekommen Zuhause.

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