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Kommentar zum Ergebnis der Landtagswahl: Ins Rutschen geraten
Dass die SPD in Brandenburg auch in den kommenden Jahren regieren wird, war zu erwarten. Vieles andere an dieser Landtagswahl ist allerdings neu - und ein dramatisches Signal.
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Und es ist gekommen, wie es immer kommt in Brandenburg. Das Land wählt, die SPD liegt uneinholbar vorn. Niemals Neues in der Mark? Nur auf den ersten Blick. Das Ergebnis dieser Landtagswahl ist ein dramatisches Signal. Die historisch niedrige Wahlbeteiligung, der Siegeszug der rechtspopulistischen Alternative für Deutschland – es ist einiges gefährlich ins Rutschen geraten in Brandenburg.
Mehr als jeder Zehnte machte sein Kreuz bei der AfD, einer Partei, deren Spitzenkandidat Alexander Gauland noch am Wahlabend hetzt, dass die Asylbewerber ein großes Problem für die Brandenburger seien, die allermeisten von ihnen so schnell wie möglich abgeschoben werden müssten. Tolerantes Brandenburg, der überparteiliche Konsens gegen fremdenfeindliche Tendenzen, der rechtsextremistische Parteien ferngehalten hat aus dem Landtag? Mit der AfD ist dieser aufgekündigt.
Ansonsten gilt: Brandenburg, das entpolitisierte Land, in dem 25 Jahre nach der friedlichen Revolution weniger als die Hälfte der Wahlberechtigten einen Sinn darin sehen, wählen zu gehen. Eine Form des Protests? Sicher auch. Aber wogegen eigentlich? Die Politik muss diese Frage beantworten. Noch dringender als alle drängenden Probleme des Landes zu lösen sind, die Entvölkerung der Regionen am Rande, das massive Wachstum im Speckgürtel, die Zukunft der Braunkohle.
Der Protest jedenfalls, auch diffus, fremdenfeindlich, hat sich Bahn gebrochen, darüber kann auch der Wahlsieg der Sozialdemokraten nicht hinwegtäuschen. Ja, das SPD-Ergebnis besiegelt das Ende der Ära der Überväter Manfred Stolpe und Matthias Platzeck. Ihre Zeit ist vergangen, und das ist gut so. Nicht, weil sie politisch nicht mehr die Handelnden sind. Sondern weil das Land ein anderes geworden ist. Eines, das für sich steht, bundesweit zu den Wachstumsmotoren gehört, statt kleine DDR zu sein. Eines, das Überväter nicht mehr am dringendsten braucht. Dietmar Woidke, der jetzt ohne den Schatten seiner Vorgänger ist, seine Wahl gewonnen hat, steht sinnbildlich dafür. Pragmatisch statt charismatisch. Verbindlich statt behütend.
Auch das mag es der Linken schwer gemacht haben. Unbedingt hatte sie beweisen wollen, dass Regieren für Linke nicht Verlieren heißen muss. Dass sie Einbußen hinnehmen müssen, war zu erwarten. So war es immer nach solchen Bündnissen. Der Absturz der Linken in diesem Ausmaß aber gleicht schon einem Debakel. Abgestraft wurde sie, vor allem aber konnte sie die Protestwähler nicht mehr bedienen.
Auch für die CDU ist das Ergebnis nicht das, was sie erhofft hatten. Lange wurden ihnen gute Chancen eingeräumt, als Gewinner aus dieser Wahl hervorzugehen. Diese Rolle hat die AfD übernommen. Auch, weil die CDU ihr zu viel Raum gelassen hat, Spitzenkandidat Michael Schierack eine Zusammenarbeit wochenlang nicht ausschließen wollte, ehe er es dann doch tat.
Dass die Bündnisgrünen die Fünf-Prozent-Hürde genommen haben, ist längst verdient. Haben sie doch in der zurückliegenden Legislatur, wie im Übrigen auch die nunmehr ins politische Nichts verschwundene FDP, dem Parlament in Potsdam zu einem Qualitätssprung verholfen. Und, schönes neues Brandenburg, mit den Freien Wählern haben erstmals die Bürgerinitiativen eine direkte Stimme im Landtag.
Wie es aussieht, werden die Sozialdemokraten sich aussuchen können, mit wem sie regieren. Wie immer seit 1990 in Brandenburg. Aber für Rot-Rot wird es knapp. Die CDU ist wieder im Rennen. Was es gilt, hat am Wahlabend eine neue Dimension angenommen.
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