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Brandenburg: Internationale Geflechte bei Organisierter Kriminalität

PNN-Gespräch mit Dieter Büddefeld, neuer Chef des Landeskriminalamtes über Banden, Korruption, Rechtsextreme und Mitarbeiterbeschwerden

PNN-Gespräch mit Dieter Büddefeld, neuer Chef des Landeskriminalamtes über Banden, Korruption, Rechtsextreme und Mitarbeiterbeschwerden Herr Büddefeld, die Brandenburger sind nach neuesten Studien die ängstlichsten Deutschen. Neben der diffusen Zukunftsangst fürchten sie seit Langem überproportional Kriminelle und die so genannten OK – die „Organisierte Kriminalität“. Der „normale Bürger“ selbst hat aber für Leib und Leben von OK relativ wenig zu befürchten – wo und wie wird er dennoch geschädigt? Organisierte Kriminalität ist für den sogenannten normalen Bürger oft nicht unmittelbar sichtbar. Sie ist jedoch wegen ihres Organisationsgrades, des bedingungslosen Willens zur Gewinnmaximierung, der schleichenden Einflussnahme auf Wirtschaft, Sozialstrukturen und Politik sowie ihrer latenten Gewaltbereitschaft geeignet, auf lange Sicht das Vertrauen der Bürger in Staat, Recht, Sozial- und Wirtschaftsordnung zu erschüttern. Das ist der Hauptschaden, der entstehen kann. Daneben gibt es auch unmittelbar spürbare materielle Schäden wie den Kfz-Diebstahl, in Umlauf gebrachtes Falschgeld und Steuerschäden etwa durch den Zigarettenschmuggel. Wie viele OK-Fälle werden jährlich vom LKA bearbeitet und wie viele kommen tatsächlich zur Anklage? Wie viele zur Anklage kommen ist statistisch nicht ganz sauber zu sagen: Wir haben zwar im Vorjahr 16 Komplexe organisierter Kriminalität - die meist aus mehreren Straftaten bestehen - bearbeitet und die Justiz hat 15 zur Anklage gebracht. Aber die durch uns abgeschlossenen Fälle wurden nicht alle in demselben Jahr auch angeklagt. Und auch BGS und Zoll bearbeiten eigenständig OK- Verfahren. Besonders wichtig ist, dass es nur in einem sehr, sehr kleinen Teil der Ermittlungen in diesem Bereich nicht zu Anklagen gekommen ist. Hier wurde in Brandenburg bisher sehr erfolgreich und erfolgsorientiert gearbeitet. Womit befasst sich die organisierte Kriminalität in Brandenburg vorwiegend? Das sind überwiegend die Bereiche Rauschgift, Schleusung, Straftaten im Zusammenhang mit dem Rotlichtmilieu sowie KFZ-Verschiebung. Welche materiellen Schäden sind nach Erkenntnissen des LKA im Vorjahr in Brandenburg durch OK entstanden? Durch die OK-Gruppierungen wurden 2003 bei den Ermittlungen im Land Brandenburg Schäden in Höhe von etwa 4,8 Millionen Euro und 2002 etwa 11,9 Millionen Euro nachgewiesen. Die geschätzten Gewinne betrugen 2003 zirka 7,1 Millionen Euro und 2002 zirka 6,2 Millionen Euro. Allein in 4 Verfahren im Zusammenhang mit Kfz-Delikten betrug 2003 der bewiesene Schaden 3,35 Millionen Euro. Dies sind 69,21 Prozent der gesamten ermittelten Schadenssumme aus dem Bereich der OK im Land Brandenburg. Es handelte sich dabei größtenteils um den Diebstahl und die Hehlerei sehr hochwertiger PKW der Marken Audi, BMW und Daimler-Chrysler. Der Begriff „OK“ wird mit Mafia, Italien und Osteuropa in Verbindung gebracht. Kommt die Bedrohung wirklich von außen oder gibt es – wie die XY-Bande in Neuruppin und der Drogenhandel zeigen – nicht doch auch ein Brandenburger Eigenleben? Es gibt sowohl heterogene als auch homogene Strukturen. Wir können auf jeden Fall sagen, dass von den 16 im Jahre 2003 vom Landeskriminalamt untersuchten OK-Komplexen immerhin vier durch rein deutsche Tätergruppen begangen wurden. Insgesamt ist es so, dass sich wegen der Art der Betätigung in diesem Bereich meist automatisch eine Internationalität ergibt: Bei Rauschgifthandel, internationaler Kfz-Verschiebung oder Menschenschleusung werden Lieferanten oder Abnehmer im Ausland gebraucht. Und die OK bedient sich natürlich dann gern jeweils einheimischer Strukturen, die die entsprechende Nationalität haben, sich auskennen vor Ort - so entstehen dann meist internationale Geflechte. Welche Verbindungen bestehen im OK-Bereich ins Ausland? Brandenburg hat ja traditionell eher die guten Ostkontakte. Das trifft auch auf den OK- Bereich zu: In den OK-Verfahren des Jahres 2003 agierten die Gruppierungen in sieben Fällen überregional. Involviert waren insbesondere Tatverdächtige aus Polen, Lettland, Litauen und der Ukraine. Es gab Befürchtungen, dass sich nach der EU-Osterweiterung osteuropäische OK- und Bandenstrukturen nach Westen und speziell nach Brandenburg ausbreiten. Gab es einen erkennbaren Anstieg der Fallzahlen seit Mai 2004? Nein, es gab keinen statistisch messbaren Anstieg und keinen messbaren Kriminalitätsimport. Man muss aber auch sagen, dass es schon vor der Verschiebung der EU-Ostgrenzen viele Erleichterungen im Grenz- und Warenverkehr gab. Zum Wesen der OK gehört, illegal erworbene Gelder in den legalen Kreislauf zu transferieren. Gibt es Erkenntnisse, wo und wie hier Gelder gewaschen werden? Da gibt es nur sehr geringe Erkenntnisse. Die meisten Kriminellen und selbst die im Bereich der OK reinvestieren ihre illegalen Gewinne meist in ihre Lebensführung: in entsprechende Autos, teure Klamotten, schöne Wohnungen. Die Investition in den legalen Wirtschaftskreislauf findet nur in wenigen Fällen statt. In denen werden dann aber gewerbliche und geschäftliche Strukturen genutzt - etwa Lokale, Spielhallen, Bekleidungsgeschäfte, in Einzellfällen gab es auch erhebliche Investitionen in Immobilien – etwa bei der XY-Bande in Neuruppin, deren Mitglieder zum Teil in der Stadt mehrere Immobilien erworben hatten. Und bei der Umstellung von D-Mark auf Euro gab es auch einige Fälle, wo illegale Gelder in den legalen Kreislauf geschleust wurden. OK kann – Neuruppin zeigt es – kaum funktionieren, wenn es keine persönlichen, finanziellen oder erpresserischen Kontakte in die lokale oder regionale - oft gar „große“ Politik gibt. Es gab in Einzelfällen Verquickungen zwischen Politik und der organisierten Kriminalität. Wobei man da etwas differenzieren muss: Das schlimmste, was unterstellt wird, ist, dass die OK versucht, die Politiker zu korrumpieren und dadurch die Politik in Grundsätzen und Zielen zu lenken. So weit geht es in Brandenburg mit Sicherheit nicht. Worum dann? Es geht den Tätern – denen man ihre Geschäfte ja nicht ansieht – darum, sich in gewissen gesellschaftlichen Kreisen aufzuhalten. Auch in dem Glauben, dass sie sich dadurch weniger angreifbar für die Polizei machen, weil sie dann zum Establishment in der Gemeinde gehören. Man glaubt auch unter Umständen durch den Zugang zu bestimmten Amtsträgern informiert zu werden, wenn Ermittlungen laufen sollten. Einige wollen sich durch diese gesellschaftlichen Kontakte auch ein Standbein schaffen, wenn sie aus der organisierten Kriminalität aussteigen wollen. Aber, was wir eigentlich feststellen, ist, dass man sich dieser Kontakte bedienen will, um die eigenen Aktivitäten zu erleichtern oder zu begünstigen - aber nicht, um steuernd auf die Grundsätze und Ziele der Politik generell Einfluss zu nehmen - davon sind bisher keine Fälle bekannt geworden. Es geht also eher darum, schnell einen eigenen Vorteil zu erlangen? Ja. Zum Beispiel bei der Vergabepraxis in Gemeinen - bei Immobilien oder öffentlichen Aufträgen. Es geht um die eigene, schnelle Gewinnmaximierung, um einzelne Verwaltung-, nicht um grundlegende politische Entscheidungen. Es kann im Extremfall irgendwann dahin gehen - aber es gibt dafür keine Anzeichen. Zur Gewinnmaximierung gehört auch Korruption – nicht nur vom organisierten Verbrechen sondern auch von Unternehmen, die Fördermittel, Aufträge und Verträge wollen, und von Bürgern, die bestimmte Behördenentscheidungen erreichen wollen. Das reicht – wie überall – auch in Brandenburg vom Geldschein, der dem Polizisten bei der Verkehrskontrolle mit dem Führerschein übergeben wird, bis hin zu Bestechungsgeldern für Mitarbeiter im öffentlichen Dienst. Im Jahr 2003 hatten wir in Brandenburg insgesamt 37 Korruptionsdelikte. So wurde sechs Polizisten, die mit Verkehrsdelikten befasst waren, Geld angeboten. Alle haben dies abgelehnt und Anzeige erstattet. In sechs weiteren Fällen wurden Mitarbeitern der öffentlichen Verwaltung, von Kontrollämtern, des Zolls und der Justiz Geld oder Geschenke angeboten - in drei Fällen waren die Mitarbeiter korrupt. Das Innenministerium nennt die rechtsextremistische Szene als einen Schwerpunkt der Arbeit. Nehmen die Straftaten im rechtsextremen Milieu zu? Statistisch bewegen sich die rechtsextremistischen Straftaten auf anhaltend hohem Niveau. So gab es im Jahr 2002 in Brandenburg in diesem Bereich 81 Gewaltdelikte, im Jahr 2003 waren es 87. Bei Propagandadelikten waren es vor zwei Jahren 672 Fälle und vor einem Jahr 669. Und, neben der allgemeinen Gefahr und den Straftaten kann es durchaus handfeste Standortnachteile für die Wirtschaftsregion haben. Aus dem Innenministerium heißt es, die Struktur der Kriminalpolizei im Land stehe derzeit auf dem Prüfstand. Es hat ja gerade eine Neuorganisation der Polizei im Land gegeben – mit den größeren Präsidien und den veränderten Schutzbereichen. Aber auch die Kriminalpolizei wird evaluiert. Und es wird vor dem Hintergrund der Sparzwänge wohl auch Auswirkungen auf die Kriminalpolizei des Landes haben – und darauf wird das LKA reagieren müssen. Im Ministerium heißt es, es könne zu einer Neuorganisation führen. Demnach bliebe nur noch eine zweistufige Kripo übrig: Kriminalisten im LKA und darunter entweder nur noch in den Präsidien oder den Schutzbereichen. Welche Auswirkungen es geben wird, können wir erst sagen, wenn die Ergebnisse der Strukturüberprüfung vorliegen. Wir sind zurzeit dabei, den Evaluationsprozess konstruktiv zu unterstützen. Aus dem LKA gibt es Beschwerden über den Umzug des LKA von Basdorf bei Berlin nach Eberswalde. Für die meisten unserer Mitarbeiter am Hauptstandort – viele wohnen in der Region nordwestlich von Berlin bzw. in Berlin selbst – hat sich durch den Umzug der Behörde nach Eberswalde die Fahrtzeit zur Arbeit erheblich verlängert. Viele fahren jetzt eine Stunde und mehr zur Arbeit. Entsprechend war auch die Protesthaltung oder die Unzufriedenheit. Es sind auch nur 23 Mitarbeiter hierher gezogen – 307 arbeiten aber jetzt in Eberswalde. Das heißt, der Großteil fährt jeden Tag. Das LKA sitzt hier in Eberswalde im Behördenzentrum außerhalb der Stadt – und der Standort ist noch nicht vernünftig an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen. Es fährt zum Beispiel kein Bus regelmäßig vom Bahnhof hierher – was für unsere Mitarbeiter bessonders im Winter wichtig wäre. Unmut herrscht auch wegen des Beförderungsstaus im LKA. Der Witz vom „ewigen Kommissar“ macht die Runde. Wir haben in der Tat eine erhebliche Anzahl von Kommissaren, die befördert werden könnten und dies auch verdient hätten. Und ich übergebe auch gern Ernennungsurkunden. Doch auch das LKA ist von den Rahmenbedingungen abhängig - das heißt von den Zuweisungen, die vom Finanzministerium erfolgen. Das Geld für Beförderungen und Gehaltserhöhungen ist also einfach nicht da? Richtig. Überall laufen Sparprogramme, da ist es auch in Zukunft nicht absehbar, dass wir da reichlich gesegnet werden. Was möglich ist, wird gemacht. Umzug des LKA ins abgelegene Eberswalde und Beförderungsstau – als Mitarbeiter wäre ich da nicht gerade motiviert. Nun sollte ein Kriminalist seine Motivation nicht nur aus der Möglichkeit zur Beförderung, sondern auch aus der anspruchsvollen, interessanten und erfüllenden Tätigkeit beziehen. Dennoch haben wir im LKA eine große Zahl hervorragender und motivierter Mitarbeiter, denen ich eine derartige Auszeichnung für erbrachte Leistungen als zusätzliche Motivation gerne zukommen lassen würde. Ich hoffe, wir können uns das auch bald wieder leisten. Das Gespräch führte Peter Tiede

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