
© dpa
ZUR PERSON: „Investitionsruine BER? Unvorstellbar!“
Finanzminister Görke über den Landeshaushalt, Millionen-Rücklagen und den Airport-Eröffnungstermin
Stand:
Herr Görke, ist der Koalitionsvertrag überhaupt noch sein Papier wert?
Was im Koalitionsvertrag steht, wird umgesetzt, Punkt.
Aber die Koalition will bis 2019 rund 620 Millionen Euro zusätzlich ausgeben, für mehr Lehrer, Erzieher, Polizisten, Investitionen. Ist das wirklich noch finanzierbar, wenn nach der jüngsten Steuerschätzung eine halbe Milliarde Euro weniger Einnahmen erwartet werden?
Die Regierung und ihr Finanzminister werden die Ausfinanzierung sicherstellen. Die Prioritäten, Vorfahrt für Bildung, Investitionen in unsere Krankenhäuser und die Infrastruktur, soziale Sicherheit, haben Bestand.
Wollen Sie Geld drucken?
Nein, man muss wissen: Brandenburg hat nach wie vor steigende Steuereinnahmen. Nur nach der jüngsten Steuerschätzung sind die Zuwächse nicht so hoch wie prognostiziert. Das ist nicht schön, aber eine Herausforderung, die beherrschbar ist.
Wie wollen Sie die Lücke schließen?
Es geht um rund 120 Millionen Euro pro Jahr, bei einem Haushalt mit einem Volumen von zehn Milliarden Euro. Die neue Steuerprognose hat uns nicht kalt erwischt. Es gab ausreichend Indikatoren, dass sich die Konjunktur eintrübt. Das war beiden Seiten in den Koalitionsverhandlungen bei den finanziellen Abwägungen durchaus bewusst. Das Vereinbarte ist realistisch, finanzierbar und es ist enkelgerecht, weil wir keine neuen Schulden machen – dabei bleibt es. Es ist kein allgemeines Wohltatenprogramm. Wir konzentrieren uns auf unsere Prioritäten, auch mit Einsparungen in anderen Politikfeldern, aber mit Augenmaß.
Wo wird der Rotstift angesetzt?
Es werden nicht einfache Haushaltsverhandlungen, denen ich aber nicht vorgreifen will. Gleichzeitig werden wir alles versuchen, um Einnahmen zu erhöhen, wie etwa durch die Erhöhung der Grunderwerbssteuer.
Wäre Brandenburg auch gewappnet für eine Rezession?
Wir haben in der letzten Legislatur, in den guten Haushaltsjahren, vorgesorgt, haben Reserven gebildet. Diese Schwankungsrücklage hat jetzt ein Volumen von rund 700 Millionen Euro und ist gedacht für Krisen, für Unvorhergesehenes.
Wird Sie nun aufgelöst?
Nein, was im Koalitionsvertrag steht, ist ohne Griff in die Rücklage geplant.
Befürchten Sie Auseinandersetzungen in Ihrer Partei, in Ihrer Koalition, wenn die rot-rote Regierung nun doch den Rotstift ansetzen muss?
Ich glaube das nicht. Denn jedem ist klar, dass wir weniger Geld haben, aber damit mehr erreichen müssen. Für zusätzliche Sahnehäubchen ist kein Spielraum. Wir sorgen für 2000 zusätzliche Stellen, unter anderem für mehr Lehrer, Polizisten und viele Nachwuchskräfte, aber der Personalbestand in der Landesverwaltung wird bis 2020 dennoch verringert.
Aber nicht so stark wie bisher geplant. Gleichzeitig will die Regierung auf Kommunalebene eine Straffung der Strukturen, etwa weniger Kreise, eine Einkreisung von großen Städten. Machen Sie Politik mit zweierlei Maß, wie Städtebund-Präsident Jann Jakobs kritisiert?
Eben nicht, wir machen Politik aus einem Guss. Wenn zum Beispiel Aufgaben vom Land an Landkreise übertragen werden, nach dem Prinzip weniger Kreise, aber dafür stärkere und zukunftsfähige Strukturen, dann wird das auch vom Land finanziert. Das ist Verfassungsvorgabe in Brandenburg, die so genannte Konnexität. Und das weiß Herr Jakobs auch. Wir machen nicht die Rechnung ohne den Wirt. Darauf kann sich die kommunale Familie verlassen.
Versprechen Sie sich als Finanzminister von der Kreis- und Verwaltungsreform finanzielle Entlastungen für alle Ebenen, für Gemeinden, Kreise und Land?
Es gilt, was im Koalitionsvertrag steht. Keine neue Gemeindereform. Auf der Kreisebene verspreche ich mir jedoch Synergien, die den Bürgern die Daseinsvorsorge überall im Land garantiert, auch in entfernteren Regionen wie der Prignitz oder der Uckermark. Aber wir stehen ganz am Anfang eines breiten Dialogs um die Vorschläge der Enquete-Kommission. Es geht um Brandenburgs Konstitution bis in das Jahr 2030. Es geht um ein Brandenburg, was dann sozial, finanziell und demografisch auf festen Füßen steht. Ich möchte, dass wir ohne Scheuklappen, aber mit gesundem Menschenverstand und kaufmännischem Know-how diese nötigen Reformen gemeinsam anpacken.
Der neue Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) stellt schon mal den Koalitionsvertrag teilweise in Frage. Muss manche Passage zur Verwaltungsreform „auf Praktikabilität“ geprüft werden?
Da, wo im Koalitionsvertrag ein Prüfauftrag formuliert ist, wird geprüft. Wo etwas eindeutig vereinbart ist, wird es gemacht. Ich kann nur davor warnen, den Koalitionsvertrag umzuinterpretieren. Er ist präzise formuliert und allen Ministerinnen und Ministern Verpflichtung.
Als unkalkulierbares Risiko gilt die BER-Baustelle. Kann der Pannenflughafen den Landeshaushalt sprengen?
Nein, das wird auf keinen Fall geschehen.
Woher rührt Ihr Optimismus, angesichts der Explosion der Kosten, der seit der verschobenen Eröffnung 2012 vom Aufsichtsrat bewilligten Spritzen von 2,3 Milliarden Euro für den BER?
Als Eigner stehen hinter dem Flughafen starke Gesellschafter wie der Bund, Berlin und Brandenburg. Nichtsdestotrotz darf die Flughafengesellschaft nicht darauf hoffen, dass die Gesellschafter ständig Geld zuschießen. Die Flughafengesellschaft muss ihren eigenen Beitrag leisten, um die Kosten zur Inbetriebnahme des neuen Flughafens selbst zu schultern. Dafür gibt es verschiedene Modelle.
Der Aufsichtsrat hat 1,1 Milliarden Euro jüngst genehmigt, um den BER fertig bauen zu können. Brandenburg ist demnach nicht bereit, seinen Anteil daran direkt aus dem Landeshaushalt zu bezahlen?
Genau so ist es. Mit den 1,1 Milliarden Euro ist nur der nötige Finanzrahmen festgestellt worden. Der Flughafen ist beauftragt, dafür Finanzierungsmodelle zu prüfen. Diese Prüfung läuft. Der Koalitionsvertrag und damit die Position Brandenburgs sind eindeutig: Zur Finanzierung der Inbetriebnahme sollen vorrangig Quellen außerhalb weiterer Kapitalzufuhren der Gesellschafter identifiziert und ausgeschöpft werden. Wir werden nicht Brandenburgs Rücklage an den Flughafen weiterreichen.
Aber der Flughafen ist doch schon jetzt nicht kreditwürdig!
Das stimmt nicht. Der Flughafen in unserer Metropolenregion ist eine Wachstumsbranche. Zugleich wissen die Banken, wer hinter diesem öffentlichen Infrastrukturprojekt steht. Ich denke, dass durch die Flughafengesellschaft eine Eigenfinanzierung über den Kreditweg mit einer möglichen Absicherung durch die Eigner möglich und realistisch ist.
Ist für Sie eine Teilprivatisierung, der Einstieg von Investoren ein Tabu?
Die Frage stellt sich derzeit nicht.
Ist die Kapitalspritze aus dem Jahr 2012 über 1,2 Milliarden Euro, mit Brandenburgs 444-Millionen-Anteil, eigentlich ausgegeben?
Davon wurden rund 600 Millionen Euro abgerufen, vom Brandenburger Anteil in Höhe von 444 Millionen Euro ist es ebenfalls rund die Hälfte. Das liegt auch daran, dass es auf der Baustelle ja leider immer noch keinen „Sprint“ gibt. Die laufenden Projekte und der Schallschutz am Flughafen sind ausfinanziert. Der Flughafen hat damit ausreichend Geld.
Es gibt trotzdem immer wieder Vorstöße von Hartmut Mehdorn, vor der Inbetriebnahme zusätzliche Mittel zu bekommen, etwa für nötige Kapazitätserweiterungen. Wie ist Brandenburgs Linie?
Hart und eindeutig! Die Mehrkosten für die Inbetriebnahme hat der Flughafen selbst zu schultern.
Eigentlich wollte Hartmut Mehdorn am 12. Dezember einen Eröffnungstermin nennen, jetzt soll es ein Termin-Korridor werden. Wann erwarten Sie den Start des BER?
Zunächst einmal bin ich gespannt, was Herr Mehdorn am 12.Dezember dem Aufsichtsrat präsentieren wird.
Air Berlin hält eine Eröffnung vor 2017 für kaum möglich. Und Sie?
Das Jahr 2017 scheint mir nach dem jetzigen Stand nicht unrealistisch.
Ist Herr Mehdorn eigentlich noch der richtige Mann, um den BER zu eröffnen?
Das sage ich ihm lieber persönlich.
Glauben Sie eigentlich noch daran, dass der BER überhaupt kommt?
Ja, der Flughafen wird eröffnet. Eine Investitionsruine in Schönefeld ist für mich unvorstellbar.
Das Interview führte Thorsten Metzner
PRIVAT
Christian Görke, 52, wurde in Rathenow geboren. Er ist Sohn eines Lehrers. Sein Vater war CDU-Politiker, seine Schwester – ebenfalls Lehrerin – ist auch CDU-Mitglied. Bis vor gut zehn Jahren unterrichtete Görke an einer Gesamtschule mit gymnasialer Oberstufe in Rathenow. Er war bis zu seinem Wechsel in die Landespolitik Geschichts- und Sportlehrer.
KARRIERE
Görke ist seit Januar 2014 Landesvorsitzender der Linken und auch Finanzminister. Seit November 2014 ist er zudem stellvertretender Ministerpräsident in Brandenburg. Und er sitzt im Aufsichtsrat des BER.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: