Von Thorsten Metzner: Irrtum vom Amt
Minister-Ankündigung, Schüler-Leistungen durch mehr Tests zu verbessern, beruht auf Fehleinschätzung
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Potsdam - Brandenburgs Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD) hat sich mit vorschnellen Ankündigungen selbst in die Bredouille gebracht. Als märkische Neuntklässler bei bundesweiten Vergleichstests in Deutsch und Englisch jüngst miserabel abschnitten, standen für Rupprecht Ursachen und Konsequenzen erstaunlich schnell fest: Man müsse „einen Schalter umlegen“, nötig sei „mehr Verbindlichkeit“, also höherer Druck durch „mehr schriftliche Kontrollen, Klassenarbeiten, obligatorische Diktate“. Die „Gewissheit“, dass Brandenburgs Schulen so besser werden, nehme er „aus dem Vergleich mit den Besten“, nämlich bildungsstarken Bundesländern, so der Minister damals. Man darf gespannt sein, was Rupprecht, der am heutige Mittwoch Neuerungen für das neue Schuljahr vorstellen will, konkret verkünden wird.
Nach PNN-Recherchen lässt sich aus einem Vergleich mit Spitzenländern bei der Pisa-Studie und anderen Vergleichstests gar keine Verschärfung des Kontrolldruckes rechtfertigen, was Rupprecht inzwischen auch die eigenen Experten nahezubringen versuchen – und vor Negativfolgen eines „Überdrucks“ warnen. Brandenburg hinkt bei der Zahl von Leistungskontrollen und obligatorischen Diktaten – entgegen der Annahme von Rupprecht – gar nicht hinterher, sondern gehört längst zu den Spitzenreitern in Deutschland: Märkische Schüler müssen im Fach Deutsch schon jetzt vier bis sechs verpflichtende Klassenarbeiten pro Schuljahr (Jahrgangsstufen 7 bis 9) schreiben, in Mathe und Englisch sind es vier bis fünf Klassenarbeiten. Zum Vergleich: Im von Rupprecht gern als Vorbild angeführten Vorzeigeland Sachsen sind es vier Pflicht-Klassenarbeiten in Deutsch und Mathe, in Baden-Württemberg und Bayern – dort holte sich Bildungsstaatssekretär Burkhard Jungkamp jüngst Anregungen für die Bildungspolitik der rot-roten Regierung – sind es drei bis vier Klassenarbeiten. Wenn Rupprecht bei seiner Linie bleibt, intern hatte die Ministeriumsspitze als Richtgröße eine Verdopplung der Zahl der Klassenarbeiten vorgegeben, wären Brandenburgs Schulen bei Kontrollen die rigidesten in Deutschland. Widerstand ist programmiert. Der Landeschef der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) Günter Fuchs spricht von einem Irrweg: „Mehr Kontrollen sorgen nicht für bessere Leistungen. Das ist Aktionismus pur“, sagte er. „Die Länder, die gut abschneiden, haben eine gute individuelle Förderung. Die kostet Geld. Noch mehr Klassenarbeiten kosten nichts – bringen aber auch nichts.“ Schon jetzt gebe es in Brandenburg so viele Kontrollen wie nirgendwo, „gebracht hat es offenbar nichts“. Und Grünen-Bildungsexpertin Marie-Luise von Halem erinnert an die pädagogische Weisheit, dass man am besten lerne, „wenn das Lernen Spaß macht“. Ihr lakonischer Kommentar zum Kontrollkurs Rupprechts: „Das Schwein wird nicht vom Wiegen fetter. Man muss es füttern.“
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