zum Hauptinhalt

Brandenburg: Ist Brandenburgs zerstrittene CDU eigentlich noch regierbar? Vor dem CDU-Landesparteitag wächst die Spannung, ob dort ein Aufstand gegen Parteichef Ulrich Junghanns geprobt wird. Manche halten ihn für zu schwach – an ihm allein liegt das n

Potsdam - In der brandenburgischen CDU, geübt im Verschleiß von Vorsitzenden, droht ein neuer Machtkampf. Wenn die Christdemokraten am 3.

Stand:

Potsdam - In der brandenburgischen CDU, geübt im Verschleiß von Vorsitzenden, droht ein neuer Machtkampf. Wenn die Christdemokraten am 3.November in Potsdam zu ihren Landesparteitag zusammenkommen, wollen sie ein neues Parteiprogramm beschließen – soweit die reguläre Tagesordnung. Aber jenseits davon wird es, das pfeifen in der Partei die Spatzen von den Dächern, um etwas anderes gehen – nämlich um die politische Zukunft von Parteichef Ulrich Junghanns, obwohl er das Amt noch nicht einmal ein Jahr ausübt. Laut sagt das niemand. Niemand wagt eine Prognose, was genau passieren wird. Niemand glaubt, dass es ein ruhiger Parteitag wird. Einig ist man sich darin: „Nichts ist unmöglich. Alles ist möglich.“ Es herrscht eine seltsame Spannung in dieser CDU. Die Situation, so sagt ein führender Christdemokrat, gleiche „einem Pulverfass“. Der Potsdamer Politikwissenschaftler Prof. Jürgen Dittberner formuliert es so: „Eine Konsolidierung der Brandenburger CDU, geschlossen nach Außen aufzutreten, ist nicht zu erkennen.“ Es herrsche allenfalls „ein brüchiger Burgfrieden“.

Allein schon dieser Befund über den von ihm geführten CDU-Landesverband, der nach 1990 wegen seiner immanenten inneren Zerstrittenheit schon einmal als „schlechteste CDU Deutschlands“ galt, ehe diese von Jörg Schönbohm geeint und nach 8jähriger Opposition 1998 dann doch Regierungspartei wurde, spricht nicht gerade für den neuen Vorsitzenden Ulrich Junghanns. Seine vorher gerühmte Integrationskraft ist an Grenzen gestoßen – was nicht an ihm liegen muss.

Der 50jährige Wirtschaftsminister hatte sich am 27.Januar nur knapp gegen den über die E-Mail-Affäre gestürzten Ex-Generalsekretär Sven Petke als CDU-Chef durchgesetzt. Jetzt aber, ein gutes drei Viertel Jahr danach, gibt es nicht wenige Christdemokraten, die dem wenig charismatischen Schönbohm-Nachfolger zumindest „Farblosigkeit“ und „mangelnde Kommunikation“ ankreiden, die „Führung“ vermissen. Da ist, wie selbst Junghanns-Unterstützer sagen, „etwas dran“. Das Unbehagen ist verbreitet. Und trotzdem, so paradox es erscheint, – Junghanns hat als Parteichef eigentlich wenig falsch gemacht. Er hatte und hat, wenn man es genau nimmt, kaum Spielräume – eigentlich gar keine. Seine Gegner um Ex-Generalsekretär Sven Petke dominieren den Landesvorstand, wo ihm nichts anderes übrig blieb, als zu moderieren, was mal mehr, mal weniger gelingt. Das „Modell Schönbohm“, mit klaren Ansagen, Machtworten und Tamtam die Partei steuern zu wollen, wäre politischer Selbstmord. Gemessen an den Kräfteverhältnissen, sagt auch Dittberner, habe Junghanns die CDU „nach dem Theater vorher eigentlich bemerkenswert, ruhig und unaufgeregt geführt und nach Außen vertreten“. Junghanns selbst kann sich zudem zugute halten, seine Kräfte auf die Konsolidierung der CDU und auf seriöses Regierungsgeschäft in der Koalition konzentriert zu haben. Seinen Job im Kabinett – nach den objektiven Fakten ist er der erfolgreichste Wirtschaftsminister im Land seit 1990 – macht er solide und uneitel, was seine Partei erstaunlich wenig honoriert. Dort aber, und das bleibt sein Dilemma, besteht der Gegensatz zwischen den Lagern fort. Dittberner: „Die Machtfrage ist nicht geklärt.“ Petke halte sich zwar zurück, habe aber den Anspruch, die Partei zu führen, nicht aufgegeben.

Wird der Aufstand geprobt? Auffällig ist, dass die Junghanns-Gegner vor dem Parteitag mobil machen, was für den Vorsitzenden nichts Gutes ahnen lässt – wie etwa der erhitzte Streit um die „Cottbuser Erklärung“ zum Umgang mit SED-Unrecht zeigt. Initiiert hatte diese CDU-Havelland-Kreischef Dieter Dombrowski, der in der DDR wegen versuchter Republikflucht im Gefängnis saß, aber auch als Intimfeind von Junghanns gilt. Sein Vorgänger und Förderer Schönbohm vermutete deshalb eine Intrige, verweigerte seine Unterschrift unter die Erklärung. Prompt musste Schönbohm, der Beschönigung von SED-Unrecht eigentlich unverdächtig, heftige Kritik und vereinzelte Rücktrittsforderungen als Innenminister einstecken. Aber in der Union ist es ein offenes Geheimnis: Die eigentliche Zielscheibe war ohnehin Ulrich Junghanns. Seine bekannte DDR-Vita als Funktionär der Bauernpartei, ein publik gewordener Zeitungsartikel aus dem Sommer 1989, in dem Junghanns die Berliner Mauer verteidigt hatte – das muss vor dem Hintergrund einer rigoros geführten moralischen Debatte um SED-Unrecht selbst im Jahr 17 nach der Einheit angreifbar wirken. Dass er seine Vita kritisch sieht, dass er die „Cottbuser Erklärung“ unterschrieb, wird Nebensache.

Da lehnte es auf dem Kreisparteitag im Havelland die Ehefrau Dombrowskis demonstrativ ab, eine Urkunde zu Ehren ihrer 30jährigen CDU-Mitgliedschaft entgegenzunehmen, weil neben Angela Merkel auch Junghanns unterschrieben hatte. Da lässt der CDU-Landesvorstand auf der jüngsten Sitzung auf Vorschlag der Kreischefin von Potsdam-Mittelmark Saskia Funck, die bei der Neuwahl der Fraktionsspitze ihren Posten als Parlamentarische Geschäftsführerin der Landtagsfraktion an eine Junghanns-Unterstützerin verloren hatte, Dombrowski zum „Menschenrechtsbeauftragten der Brandenburger CDU“ wählen – ein Novum.

Es gibt viele offene Rechnungen in dieser CDU.

Wohin das führen kann? Eine Rüge gegen Schönbohm? Brandreden gegen Junghanns? Der Landesparteitag birgt viele Fallstricke, über die Junghanns plötzlich stolpern könnte. So gibt es für das neue CDU-Grundsatzprogramm 506 Änderungsanträge. Einige wie die Forderung nach einem kostenlosen letzten Kita-Jahr oder gegen eine Länderfusion mit Berlin sind konträr zu Junghanns-Positionen – haben aber durchaus gute Mehrheitschancen. Am gefährlichsten aber für Junghanns würde es, wenn sein Kandidat für den Generalsekretärsposten scheitern sollte. Bereits am 27.Januar war sein erster Vorschlag, der frühere parlamentarische Geschäftsführer Dierk Homeyer, durchgefallen. Jetzt steht Oder-Spree-Kreischef Rolf Hilke, den in der Partei manche für zu unbedarft halten, zur Wahl. Was, wenn er scheitert?

In der CDU ist spekuliert worden, dass Junghanns zurücktreten müsste, die Partei kommissarisch bis zum regulären neuen Wahlparteitag etwa von Kulturministerin Johanna Wanka oder Ex-Justizministerin Barbara Richstein geführt werden könnte. Freilich, die Entscheidung darüber läge beim Landesvorstand, der auch Petke selbst nominieren könnte – machtpolitisch wäre das logischer. Allerdings hat Hilke bereits präventiv klar gestellt, dass Junghanns, gewählt bis 2009, dann auf seinem Posten bliebe – was dieses Szenario durchkreuzen würde.

Wie auch immer: Ein Jahr vor der Kommunalwahl geht es in der Brandenburger CDU eben nicht allein um die Führungskraft des Vorsitzenden Ulrich Junghanns. Viel mehr stellt sich längst die Frage, ob diese CDU überhaupt noch führbar ist.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })