Brandenburg: Jennifer: Keine genetischen Defekte Ursache für Behinderung aber weiter unbekannt
Lübbenow/Neuruppin – Auch nach einer vorläufigen Auswertung eines medizinischen Gutachtens bleibt offen, ob die im uckermärkischen Lübbenow über Jahre von ihren Eltern versteckte Jennifer bereits von Geburt an behindert war. Festzustehen scheint dagegen, dass die 13-Jährige nicht misshandelt worden ist.
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Lübbenow/Neuruppin – Auch nach einer vorläufigen Auswertung eines medizinischen Gutachtens bleibt offen, ob die im uckermärkischen Lübbenow über Jahre von ihren Eltern versteckte Jennifer bereits von Geburt an behindert war. Festzustehen scheint dagegen, dass die 13-Jährige nicht misshandelt worden ist. Das zumindest bestätigte gestern die Staatsanwaltschaft Neuruppin. „Die Untersuchungen haben keine Hinweise auf körperliche oder sexuelle Misshandlungen des Kindes ergeben“, sagte die zuständige Staatsanwältin Sigrid Komor gegenüber den PNN.
Über die Ursache von Jennifers Behinderung allerdings konnten die Ermittler nach eigenen Angaben keine Rückschlüsse aus dem fünfseitigen Papier ziehen. Fest stehe für die Ärzte nur, dass das Mädchen keine hirnorganischen Schäden und auch keine genetischen Defekte habe, sagte Komor. Nach der ersten Sichtung des gestern bei der Neuruppiner Ermittlungsbehörde eingegangenen Schreibens schließt die Staatsanwältin aber nicht aus, dass mangelnde Förderung vorhandene körperliche und geistige Defizite des Kindes verstärkt haben könnte. Komor sagte, jetzt sei zu prüfen, ob das vorliegende Gutachten für den Nachweis einer Straftat ausreiche oder ob ein weiteres Gutachten in Auftrag gegeben werden müsse. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Eltern wegen des Verdachts auf Verletzung der Fürsorgepflicht und Misshandlung von Schutzbefohlenen. Ob Anklage erhoben wird, ist derzeit aber noch völlig offen.
Nach einem anonymen Hinweis war Jennifer Ende Juli aus dem Elternhaus geholt worden – sie trug Windeln und zeigte autistisches Züge. Rund neun Jahre hielten die Eltern das Kind versteckt, es ging nicht zur Schule, wurde nie einem Arzt vorgestellt. Aus der Kreisverwaltung hieß es, dass Jennifer bis Ende nächster Woche in einer Klinik bleiben und dann eine Therapieeinrichtung mit Spezialschule untergebracht werden soll. Die Familie wird weiterhin vom Jugendamt betreut, Jennifers beiden Geschwister sind weiterhin bei den Eltern.
Der Landkreis hatte Versäumnisse im Schul- und Jugendamt eingestanden, personelle Konsequenzen aber abgelehnt. Verwaltungsintern sollen Vorgänge aber neu geregelt werden. Gegen die zuständigen Mitarbeiter ist ein dienstrechtliches Verfahren eröffnet worden, sagte Landrat Klemens Schmitz (parteilos) gestern.
Sowohl die Grundschule in Werbelow als auch ein junger Mitarbeiter des Jugendamts hatte nach ersten Erkenntnissen Fehler gemacht. So hatten die Eltern von Jennifer 2002 die Direktorin der Schule davon überzeugt, dass sie für ihre Tochter einen Platz in einer privaten Förderschule suchen wollten. Die Direktorin glaubte dem falschen Versprechen und informierte das Schulamt nicht. Das Gesundheitsamt des Kreises wiederum hatte bis zur Entdeckung des Kindes am 15. Juli nie Kenntnis davon, dass es Jennifer überhaupt gibt. Im Jugendamt hatte zudem ein Berufsanfänger im April 2006 die Familie nach einem Hinweis besucht. Die Eltern hatten ihm Jennifer damals als geistig behindert mit autistischem Verhalten vorgestellt, wegen der intensiven Pflege sei das Kind nicht einschulbar. Zwar hatte der Mitarbeiter ein ärztliches Attest gefordert, in der Behörde ist der von ihm gefertigte Aktenvermerk jedoch nicht weiter bearbeitet worden.
Alexander Fröhlich
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