Brandenburg: Jetzt wird wieder ums Rauchverbot gestritten
Brandenburg und Berlin müssen die Regeln für Gaststätten überarbeiten. Lockerung ist möglich, aber auch das Ende aller Ausnahmen
Stand:
Brandenburg: Auf die harte Tour?
Der Krach im Kabinett und in den brandenburgischen Landtagsfraktionen ist vorprogrammiert: Gesundheits- und Wirtschaftspolitiker von CDU und SPD werden aufeinanderprallen. Die einen werden das Wesen der Gastlichkeit und die Zukunft der Eckkneipe gefährdet sehen. Die anderen die Gesundheit der Bevölkerung. Wenn es um die Neuregelung des brandenburgischen Rauchverbots (Amtsdeutsch: Nichtrauchendenschutzgesetz) geht, geht es um Härte oder Milde, darum, ob man weitere Ausnahmen für das Rauchverbot zulässt oder aber ob man alle Ausnahmen streicht. Beide Möglichkeiten haben die Bundesverfassungsrichter in Karlsruhe gestern genannt.
Bekannt ist, dass sich Regierungschef Matthias Platzeck und Finanzminister Rainer Speer (beide SPD) schon früher gegen ein allzu drakonisches Vorgehen gegen Raucher ausgesprochen hatten – beide sind im übrigen Raucher. Als einer der energischsten Gegner eines harten Rauchverbots in der Regierung gilt Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU), der stets auf das Selbstbestimmungsrecht der Wirte und auf die wirtschaftlichen Auswirkungen eines generellen Rauchverbots verwiesen hat. Gestern war Junghanns nicht für eine Stellungnahme zu erreichen. Am Dienstag wird sich das Landeskabinett mit der PRoblematik befassen.
Doch die entscheidende und zuständige Ministerin hat sich gestern schon au der Ferne klar in Stellung gebracht und sich für die harte Tour ausgesprochen: Gesundheitsministerin Dagmar Ziegler, inzwischen regierungsintern mit Etikett „militant“ versehen, wenn es ums Nichtrauchen geht, hat aus Amerika, wo sie mit ihrer Tochter urlaubt, verkündet, beim Nichtraucherschutz keine Abstriche machen zu wollen. Ausdrücklich dankte Ziegler dem Verfassungsgericht für die „Klarstellung“.
Unterstützung bekam die Ministerin von den Fraktionen der SPD und der Linken. Aber auch die Gesundheitexpertin der CDU-Fraktion, Roswitha Schier, sprach sich für ein generelles Rauchverbot aus: „Ich weiß, dass es mit den Wirtschaftspolitikern unserer Fraktion da heftige Diskussionen geben wird, aber aus gesundheitspolitischer Sicht kann es nach dem Urteil nur die rigorose Lösung geben: ein generelles Rauchverbot.“
Dagegen sprach sich der Generalsekretär der märkischen CDU, Rolf Hilke, für ein Aufweichen der märkischen Regelung aus. Sogenannte Ein-Raum-Kneipen mit reinem Schankbetrieb sollten sich auch nach einer nötigen gesetzlichen Neuregelung in Brandenburg zu jugendfreien Raucherkneipen erklären und Diskotheken sollten Raucherräume einrichten können, sagte Hilke.
Der Brandenburgische Hotel- und Gaststättenverband forderte einheitliche Regelungen, die auch sich an den Neuregelungen der Nachbarländer orientieren müssten. Uwe Strunk, Hauptgeschäftsführer des Hotel- und Gaststättenverbandes Brandenburg, riet der Landespolitik zu Augenmaß und Abstimmung mit Berlin.
Berlin: Die weiche Tour?
Schon unmittelbar nach dem Urteil wurde in der Koalition heftig debattiert. Geht es nach der Senatsgesundheitsverwaltung, würde man „gern in Richtung keinerlei Ausnahmen“ diskutieren, sagte Staatssekretär Benjamin Hoff. Darüber wolle man erst in den Fraktionen sprechen. In den Fraktionen von SPD und Linken aber gibt es keine einheitliche Meinung, höchstens eine Tendenz gegen ein striktes Rauchverbot und für eine Ausnahmeregelung für Eckkneipen.
Nach der Sommerpause werde man darüber in der SPD-Fraktion diskutieren, sagte der parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Christian Gaebler. Das Urteil sei eine „gute Klarstellung“ für den Gesetzgeber, der sich nun entscheiden müsse, welchen Weg er einschlagen wolle. Gaebler, der selbst eine Kneipe in Kreuzberg betreibt, wollte sich nicht dazu äußern, welche Möglichkeit er präferieren würde. Deutlich dagegen formulierte die SPD-Gesundheitspolitikerin Stefanie Winde, sie sei für ein striktes Rauchverbot in Gaststätten ohne Ausnahmen für Eckkneipen oder getrennte Raucherzimmer in größeren Gaststätten oder Diskotheken. Dem widersprach Jörg Stroedter, SPD-Abgeordneter und Sprecher des Arbeitskreises Wirtschaft: „Ein Rauchverbot ist wirtschaftlich nicht tragfähig.“ Den Einraumkneipen würde man damit „den Hahn abdrehen“.
Der amtierende Landeschef der Linken und Gesundheitspolitiker, Wolfgang Albers, betonte, man werde „aber beide Möglichkeiten prüfen. Sinn und Zweck des Gesetzes sei nach wie vor der Schutz vor dem Passivrauchen.
Die Grünen-Abgeordnete Heidi Kosche forderte die Koalition auf, auf getrennte Raucherräume in Gaststätten generell zu verzichten und sich für ein Rauchverbot auszusprechen. Das wäre in den Augen des FDP-Abgeordneten Kai Gersch dagegen ein „Skandal“.
Klaus-Dieter Richter, Vorsitzender des Berliner Hotel- und Gaststättenverbands, freute sich ebenfalls über das Urteil: „Das ist genau das, was wir uns gewünscht haben. Die Wettbewerbsverzerrung ist ausgeräumt worden, Kleinbetriebe haben ihre Existenzberechtigung zurückbekommen.“
Die Einführung des Rauchverbots habe das langsame Kneipensterben in der Stadt noch verstärkt, sagt Richter. Über 60 Prozent aller gastronomischen Betriebe betrachteten ihre Existenz als „gefährdet“, 20 Prozent stünden kurz vor der Insolvenz. Richter rät seinen Kollegen, umzudenken und zu versuchen, neue Gästekreise zu erschließe.
Für wen?
Egal, ob in Berlin oder in Brandenburg: Während die raucherfreundlichen Fraktionen den Untergang der abendländischen Eckkneipenszene dräuen sehen, kann niemand sagen, wem da der Untergang droht. Denn es ist völlig unklar, wie viele von solchen Mini-Kneipen ohne Essensverkauf es überhaupt in Brandenburg und Berlin oder gar deutschlandweit gibt – erst recht ist unklar, wie viele Wirte ihre Kneipen zu Ü-18-Lokalen erklären wollen. Es gibt laut Hotel- und Gaststättenverband dazu keine einzige Erhebung. Schätzungen zufolge handelt es sich allerdings um ein marginales Problem, da die meisten „Pinten“ ihren Dauergästen eben auch Bockwurst und Stulle verkaufen. Wirklich helfen könnte eine weiche Neuregelung der Gesetze nur den Bars in den Städten und den Ü-18-Diskotheken in Brandenburg.
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