Brandenburg: Justiz macht es Müll-Verbrechern leicht
Späte Gerichtsverfahren, lange Prozesse, Personalmangel: Der Kampf gegen Umweltkriminalität stockt
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Potsdam - Umweltsünder müssen sich in Brandenburg oft erst nach Jahren vor Gericht verantworten. Von 1517 Verfahren wegen illegaler Müllbeseitigung, die seit 2009 bei den Staatsanwaltschaften des Landes eingingen, wurden bis Mai dieses Jahres nur 90 vor Gericht verhandelt. Das teilte das Umweltministerium auf eine Kleine Anfrage der Grünen im Potsdamer Landtag mit. Bis 2014 verhängten die Richter nur in 18 Umweltverfahren Bewährungsstrafen, 20 Mal gab es eine Geldstrafe. Für die Zeit danach sind noch keine genauen Daten verfügbar.
Das Land Brandenburg galt in den ersten Jahren nach der Wende als die größte illegale Müllkippe Deutschlands. Hunderttausende Tonnen Bauschutt, Industrieabfälle, Plastikreste, Autoreifen und Hausmüll wurden im märkischen Sand verscharrt. Das Geschäft mit der illegalen Abfallentsorgung florierte. Raffinierte Firmengeflechte, Insolvenzen, Geschäftsaufgaben und eine unzureichende Personalausstattung der Justiz erschwerten die Ermittlungen. Große Verfahren zogen sich hin.
Ein Beispiel: 2006 und 2007 wurden in einem der größten Brandenburger Müllskandale mindestens 132 000 Kubikmeter nicht genehmigter Abfälle in einer Kiesgrube bei Jüterbog (Teltow-Fläming) verklappt. Gegen mehrere Personen wurde jahrelang ermittelt. Doch der Prozess wurde wegen Unterbesetzung der zuständigen Kammern immer wieder verschoben. Da bei einem Angeklagten die Verjährung drohte, kam es am Landgericht Potsdam Anfang Mai dieses Jahres zur Verhandlung. Weil bis zum Prozessbeginn so viel Zeit vergangenen war, bot der Vorsitzende Richter Strafmilderungen bei umfassenden Geständnissen der vier mutmaßlichen Umweltkriminellen an.
Für den Grünen-Landtagsabgeordneten Benjamin Raschke ist denn auch die schleppende Aufarbeitung der Umweltkriminalität vor allem der unzureichenden personellen Ausstattung von Polizei und Justiz geschuldet. Die langen Verfahren hätten auch „Strafrabatte“ durch die Gerichte ausgelöst, sagte er. Auch der rechtspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Danny Eichelbaum, macht die verfehlte Personalpolitik der Landesregierung im Justizbereich dafür verantwortlich. Der neue Linken-Justizminister Stefan Ludwig sollte endlich mehr Richter und Staatsanwälte einstellen, um die Gerichte zu entlasten und Umweltstraftäter ihrer gerechten Strafe zuzuführen, forderte er.
Bereits Ende Mai vergangenen Jahres protestierten Richter und Staatsanwälte vor dem Landtag in Potsdam gegen einen weiteren Stellenabbau und forderten mehr Personal an den Gerichten. Zwar wurden wegen der vielen ankommenden Flüchtlinge in Deutschland vor allem an den Verwaltungsgerichten Beschäftigte eingestellt. Doch die für die kommenden Jahre geplanten Stellenstreichungen an den ordentlichen Gerichten wurden bislang nicht abgesagt. Auch die Zahl der Stellen ist begrenzt: Bei den vier Staatsanwaltschaften sind zehn Dezernenten neben anderen Straftaten auch für Umweltverfahren zuständig. Die ganz großen Fälle von Müllverklappung übernimmt die landesweit zuständige Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Potsdam. Beim Landeskriminalamt (LKA) ist zudem eine zehnköpfige Ermittlergruppe für schwere Umweltstraftaten zuständig. Die Polizei hatte jüngst angekündigt, die Kontrollen von Mülltransporten zu verschärfen.
Aus Sicht des Grünen-Politikers Raschke sind die Kontrollen der Müllentsorgung vonseiten der zuständigen Behörden aber generell unzureichend. „Vier bis fünf Mitarbeiter im Landesumweltamt schaffen im Jahr höchstens 130 Kontrollen, das ist zu wenig“, sagte er. Es sei zwar lobenswert, dass Umweltminister Jörg Vogelsänger (SPD) die illegale Müllentsorgung nun zur Chefsache erklärt habe, sagte Raschke. Doch müsse es dann auch zu häufigeren und unangemeldeten Kontrollen der Deponien kommen.
Doch selbst die Kontrollen sind wenig durchschlagend. Bei den zuletzt in den Jahren 2013 und 2014 kontrollierten 35 illegalen Mülllöchern, in denen nicht zugelassener Abfall verklappt wurde, waren die Kontrollen lax. Es fand nur eine „Inaugenscheinnahme“ und eine Bestandsaufnahme statt – Proben, um eine Gefahreneinschätzung vorzunehmen, wurden aber nicht genommen. Von den insgesamt 1086 Deponien im Land sind 148 illegal – das sind rund 14 Prozent. Wie berichtet musste das Umweltministerium seine bisherigen Angaben, es gebe im Land nur 108 illegale Mülllöcher, nach Berichten von PNN und Correctiv nach oben korrigieren. Nur die wenigsten sind bislang beräumt. (mit dpa)
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