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Bei Kapitalverbrechen oft unverzichtbar: Die Rechtsmedizin.

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Brandenburgisches Landesinstitut: Justiz protestiert

Durch die von der Enquetekommission des Landtags vorgeschlagene Kommunalreform könnte das rechtsmedizinische Landesinstitut vor der Auflösung stehen. Die Strafverfolgung würde sich dadurch dramatisch verschlechtern, warnen Staatsanwälte.

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Potsdam – Die Kritik der brandenburgischen Justiz an Überlegungen des Landtags, das in Potsdam ansässige Institut für Rechtsmedizin abzuschaffen, wird immer schärfer. Grund ist die Sorge vor schwerwiegenden Auswirkungen auf die Arbeit der Ermittler bei der Strafverfolgung. Nach Generalstaatsanwalt Erardo R. Rautenberg wandte sich am Freitag auch der Neuruppiner Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher „in aller Schärfe“ gegen die Vorschläge aus der Enquetekommission des Landestags zur Reform der Landesstrukturen, das in Potsdam angesiedelte Rechtsmedizinische Institut des Landes aufzulösen und an ein brandenburgisches Krankenhaus mit Pathologie anzugliedern.

„Das ist Sparen am falschen Ende“, sagte Schnittcher am Freitag. „Wer ein solches Vorhaben umsetzt, wird mitverantwortlich sein für eine wachsende Zahl nicht oder unzureichend aufgeklärter schwerster Straftaten“, sagte Schnittcher. Bereits jetzt werde in Brandenburg zu wenig obduziert. „Meine Prognose ist, dass die Strafverfolgung in Brandenburg deutlich erschwert und insbesondere die Zahl ungesühnter Todesfälle zunehmen wird“, sagte Schnittcher.

Generalstaatsanwalt Rautenberg hatte zuvor die Auflösung des Instituts als Katastrophe bezeichnet. Zum einen erinnerte er daran, dass Brandenburg keine medizinische Fakultät habe, an die in den anderen Ländern ein Institut für Rechtsmedizin angekoppelt wird. Pathologen in Kliniken seien auf das Erkennen von Erkrankungen und nicht auf das Entdecken von Verbrechensspuren spezialisiert, sagte Rautenberg am Freitag den PNN. Werde das Institut an ein Krankenhaus angliedert, würde das die Unabhängigkeit der Gutachter etwa beim Nachweis ärztlicher Kunstfehler beschneiden. Noch schwerer wiegen laut Rautenberg die Folgen für die Arbeit der Ermittler. „Die Rechtsmedizin ist für das Aufklären von schwersten Straftaten unverzichtbar. Wir haben schon jetzt eine sehr hohe Zahl nicht entdeckter unnatürlicher Todesfälle. Die Dunkelziffer würde steigen, Morde würden nicht entdeckt.“ Rautenberg forderte auch, dass nur Rechtsmediziner oder entsprechende geschulte Ärzte Leichenschauen auch in Krematorien durchführen. Durch Studien sei bekannt, dass es zu Fehldiagnosen bei der Todesfeststellung kommt, deren Anteil bis zu 80 Prozent beträgt.

Jörg Semmler, Leiter des Instituts, dessen 23 Mitarbeiter pro Jahr 600 Leichen untersuchen und Hunderte Gutachten zu Drogen-, Alkohol und Vaterschaftstests schreiben, beklagte, die Debatte hätte Verunsicherung ausgelöst. Er hoffe aber, dass die Vernunft siegt. Dafür gebe es auch entsprechende Signale aus dem Gesundheitsministerium, dem das Institut untersteht. Ohnehin müsse eigentlich für die Rechtsmedizin mehr getan werden. Fast nirgend sonst in Europa werde so wenig obduziert. „Nur noch ein Prozent der Toten wird obduziert. Es gibt eine hohe Dunkelziffer unentdeckter Morde“, sagte Semmler. 

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