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Brandenburg: JVA-Prozess: Justiz in Erklärungsnot Verhindern Behörden Klärung von Übergriffen?

Potsdam – Im Prozess um brutale Übergriffe von Justizangestellten in der Haftanstalt Brandenburg/Havel gerät nach einem Bericht des RBB-Fernsehmagazins „Klartext“ nun der brandenburgische Justizapparat in erhebliche Erklärungsnot. Zwar wies das Justizressort gestern den Eindruck zurück, wonach Mitarbeiter des Ministeriums das laufende Gerichtsverfahren gegen 13 Bedienstete der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel beeinflusst haben.

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Potsdam – Im Prozess um brutale Übergriffe von Justizangestellten in der Haftanstalt Brandenburg/Havel gerät nach einem Bericht des RBB-Fernsehmagazins „Klartext“ nun der brandenburgische Justizapparat in erhebliche Erklärungsnot. Zwar wies das Justizressort gestern den Eindruck zurück, wonach Mitarbeiter des Ministeriums das laufende Gerichtsverfahren gegen 13 Bedienstete der Justizvollzugsanstalt (JVA) Brandenburg/Havel beeinflusst haben. Doch die für das JVA-Verfahren zuständige Staatsanwaltschaft Potsdam will den Inhalt der Sendung im laufenden Prozess vor dem Landgericht Potsdam thematisieren und die Vorwürfe klären lassen. „Wir werden das Gericht darauf hinweisen, das muss geklärt werden“, sagte Helmut Lange, Sprecher der Anklagebehörde, den PNN.

Klartext hatte am Mittwoch berichtet, Ministeriumsmitarbeiter hätten „Umstände begünstigt“, unter denen sich Zeugen des Gerichtsverfahrens untereinander absprechen beziehungsweise ihre Zeugenaussagen vorbereiten konnten. Dadurch sollten die Angeklagten entlastet werden. Tatsächlich ergänzten sich Zeugenaussagen im Prozess teils auffallend, Zeugen konnten sich an – für Angeklagte entlastende – Dinge erinnern, von denen sie bei früheren Vernehmungen nichts wussten. Der Staatsanwaltschaft Potsdam liegt laut Sprecher Lange eine Anzeige wegen uneidlicher Falschaussage eines Justizmitarbeiters vor.

Die neuen Vorwürfe seien falsch, sagte Horst Fischer, Büroleiter von Justizministerin Beate Blechinger (CDU), gestern.

Außerdem hatte Klartext, das die Existenz von vermummten, aus Wärtern bestehenden sogenannten Rollkommandos einst enthüllte, Bilder gezeigt, auf denen sich vor einem Prozesstag Angeklagte und einer der beiden Staatsanwälte ungewöhnlich freundlich begrüßten. Außerdem wurde darauf verwiesen, dass die Anklagebehörde schon nach wenigen Verhandlungstagen den Prozess ohne weitere öffentliche Verhandlung gegen Geldbußen einstellen wollte.

Laut Klartext sollen Prozessbeobachter des Ministeriums Protokolle der einzelnenen Verhandlungstage und Zeugenaussagen gefertigt und an mindestens 29 Mitarbeiter des Justizministeriums per E-Mail verschickt haben. Unter den Empfängern seien auch Beamte der für die Justizvollzugsanstalten zuständigen Abteilung gewesen. Einige der per E-Mail über Prozessverlauf und Zeugenaussagen informierten Justizmitarbeiter seien selbst früher in der JVA Brandenburg tätig gewesen. Eine Frau lebe mit einem Angeklagten zusammen. Eine zweite Ministeriumsmitarbeiterin sei Zeugin in dem Prozess.

Blechingers Büroleiter Fischer sagte gestern gegenüber den PNN, diese Mitarbeiterin sei vom Gericht darüber informiert worden, dass sie als Zeugin nicht mehr benötigt werde. Zudem seien die Prozesse öffentlich. Sollte der RBB „glauben, gehaltvolle Informationen zu haben, sollte er diese dem Gericht zukommen lassen“, so Fischer. Es sei zwar fraglich, ob die E-Mails mit den hausinternen Prozessberichten an so viele Mitarbeiter hätten gehen müssen, ein Fehlverhalten der Justiz sieht das Ministerium aber nicht.

Vor dem Landgericht sind 13 Justizvollzugsbeamte angeklagt. Die elf Männer und zwei Frauen im Alter von 37 bis 53 Jahren sollen am 4. und 5. März 1999 einen Gefangenen mehrfach heftig geschlagen haben. Die Angeklagten, denen unter anderem Körperverletzung im Amt vorgeworfen wird, bestreiten die Vorwürfe. An den vergangenen Prozesstagen sei aufgefallen, dass immer mehr Zeugen das mutmaßliche Opfer einer Straftat „unglaubwürdig“ gemacht und die Angeklagten entlastet hätten, hieß es in dem Klartext-Beitrag.

Klartext hatte von einem „Prozess mit freundlichen Staatsanwälten und gut informierten Zeugen“ sowie „erdrückenden Indizien“ gesprochen. Rechtsprofessor Ulrich Geppert von der Freien Universität Berlin sprach von einer möglichen Strafvereitelung im Amt seitens der Justizangestellten.

Der Vertreter der Nebenklage, der Anwalt Ulrich Dost, sagte der Deutschen Presse-Agentur: „Wir haben schon lange den Verdacht.“ Es müsse aufgeklärt werden, ob, in welchem Umfang und wann es mögliche Manipulation gegeben habe. Nach seinem Eindruck habe zu keiner Zeit ein echtes Interesse an der Aufklärung einer möglichen Gefangenenmisshandlung bestanden. „Das ist ein hochbrisanter politischer Prozess“, sagte Dost.Peter Tiede

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