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Brandenburg: Kabale in Quappendorf Dorf klagt in Karlsruhe gegen Gemeindereform

Potsdam - Der Aufstand trägt skurrile Züge: Quappendorf im Landkreis Märkisch-Oderland hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kürzlich zur „unerwünschten Person“ erklärt. Die Kommunalaufsicht des Innenministeriums hat darauf nicht reagiert, vielleicht, weil der Beschluss juristisch keine Folgen hat: Freizügigkeit ist durch das Grundgesetz garantiert.

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Potsdam - Der Aufstand trägt skurrile Züge: Quappendorf im Landkreis Märkisch-Oderland hat Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) kürzlich zur „unerwünschten Person“ erklärt. Die Kommunalaufsicht des Innenministeriums hat darauf nicht reagiert, vielleicht, weil der Beschluss juristisch keine Folgen hat: Freizügigkeit ist durch das Grundgesetz garantiert. Doch haben es die Quappendorfer geschafft, auf sich aufmerksam zu machen. Jetzt wollen sie vors Bundesverfassungsgericht ziehen, weil sie die vom Innenminister angeordnete Zwangsfusion mit Neuhardenberg nicht akzeptieren.

Der PDS-Politiker und Rechtsanwalt Stefan Sarrach bestätigt, dass er an der Klageschrift arbeite und sie noch im September in Karlsruhe abgeben wolle. Die Gemeinde Neuhardenberg, zu der Quappendorf jetzt gehört, habe die benötigen Mittel beschlossen, ergänzt Bürgermeister Mario Eska (Linkspartei/PDS). Eska, bis zur Zwangsfusion Bürgermeister von Quappendorf, ist zum Bürgermeister von Neuhardenberg aufgestiegen und könnte zufrieden sein. Doch will er, falls Quappendorf die verlorene Selbständigkeit zurückerobern sollte, wieder zurück.

Allerdings ist es fraglich, ob Karlsruhe die Klage Quappendorfs annimmt, nachdem das Landesverfassungsgericht im März die Beschwerden der Quappendorfer und vieler anderer gegen die zwangsweise Bildung von Großgemeinden abgeschmettert hatte. „Normalerweise ist damit der Rechtsweg ausgeschöpft“, gibt Sarrach zu. Doch hofft er, den Karlsruher Richtern deutlich machen zu können, dass Quappendorf „ein Sonderfall“ ist: Brandenburgs Verfassungsrichter hätten in diesem Fall ihre eigene Rechtsprechung „vergessen“. 2002 hatten sie auf eine erste Beschwerde entschieden, dass das Unterschreiten der für die Selbständigkeit vorgeschriebenen Mindestteilnehmerzahl von 500, die den 130 Quappendorfern zum Verhängnis wurde, „nicht rechtlich oder faktisch zwingend“ zur Eingliederung in eine größere Gemeinde führen müsse. Es müssten konkrete örtliche Besonderheiten berücksichtigt werden, auch geschichtliche Zusammenhänge wie „eine selbstbewusste Rolle der Gemeinde in der Geschichte“. Das treffe auf Quappendorf zu, das schon immer für seine Aufmüpfigkeit bekannt gewesen sei, sagt Saurach. Im 18. Jahrhundert wehrten sich das Dorf erfolgreich gegen Frondienste für die Neuhardenberg Grundherren, was Gutsherr von Prittwitz so kommentierte: „Überhaupt sind die Quappendorfer in der gantzen Gegend und bey allen Menschen dafür bekanndt, dass die niemahlen dasjenige tun, was ihre Schuldigkeit ist.“

Sarrach wirft dem Potsdamer Verfassungsgericht noch weitere „grobe Fehler“ vor: Es sei auf die Argumente der Quappendorfer nicht eingegangen, habe nicht mündlich verhandelt und schematisch entschieden. „Man wollte den Berg von Beschwerden schnell vom Tisch haben.“ Sarrach und Eska sehen Chancen, dass der Fall neu aufgerollt wird. Auch bei den Gemeindereformen in alten Ländern hätten sich einzelne Gemeinden durchgesetzt.

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