Brandenburg: Kampf um die Elite
Unternehmerverbände: Nicht nur in Brandenburg mangelt es an Fachkräften – auch in Berlin
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Der Fachkräftemangel in der Region Berlin-Brandenburg droht nach Ansicht der Wirtschaft nicht – er ist schon da.
Zu diesem Ergebnis kommt die Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB) nach eigenen Untersuchungen und Umfragen. „Der Mangel ist schon jetzt höher, als er in zwei Studien für Berlin und Brandenburg prognostiziert worden ist“, sagte der stellvertretende Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der Unternehmensverbände in Berlin und Brandenburg (UVB), Klaus-Dieter Teufel den PNN.
Für Brandenburg liegt die Fachkräftestudie der Landesregierung vor, wonach in den nächsten zehn Jahren etwa 200 000 Fachkräfte im Land benötigt werden. Als Grund gelten die demografische Entwicklung in der Mark, in der sich die Zahl der Schulabgänger halbieren wird und gleichzeitig die Zahl der Arbeiter und Angestellten, die das Rentenalter erreichen, steigen wird.
Für den Berliner Senat hat die Beratungsgesellschaft Prognos die Studie „Langfristige Trends und Ersatzbedarfe auf dem Berliner Arbeitsmarkt“ vorgelegt. Während für Brandenburg ein dramatischer Fachkräftemangel vorausgesagt wurde, kam Prognos für Berlin zu dem Schluss, dass sich mittel- und langfristig kein Mangel an gut ausgebildeten Arbeitskräften etwa im verarbeitenden Gewerbe einstellen wird.
„Das Ergebnis von Prognos ist so nicht zu halten“, so Teufel, der beim UVB auch für Arbeitsmarkt und Bildung zuständig ist. Zwar gebe es rein statistisch auch künftig in der Bundeshauptstadt mehr arbeitslose Facharbeiter und Ingenieure als offene Stellen. Doch decke sich die Qualifikation der Arbeitssuchenden meist nicht mit dem Bedarf in der Wirtschaft.
Da es in Berlin trotz der hohen Zahl von Hochschulabsolventen im technischen Bereich in wichtigen Branchen zu einem Fachkräftemangel kommen wird, werde die Hauptstadt auch nicht automatisch den Fachkräftebedarf in Brandenburg decken können.
Das UVB-Präsidium war Ende April zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berliner Fachkräftestudie überarbeitet werden müsse. Die Feststellung, dass kein Fachkräftebedarf „in den nächsten sechs Jahren in gewerblich-technischen Berufen auf der Facharbeiter- und Ingenieursebene besteht, widerspricht der schon jetzt aktuellen Situation“.
In einer eigenen, noch unveröffentlichten Umfrage in der Region Berlin-Brandenburg kommen UVB und das Berufsbildungswerk der Wirtschaft (BBW) zu dem Ergebnis, das der Bedarf auch in Berlin schon jetzt höher ist, als für die nächsten Jahre vorausgesagt. Teufel: „Der Bedarf an hochqualifizierten Facharbeitern und Ingenieuren ist besonders im verarbeitenden Gewerbe schon jetzt nicht mehr zu decken – weder in Brandenburg, noch in Berlin.“
Dass dies trotz der hohen Arbeitslosigkeit so ist, liege vor allem daran, dass es den Arbeitslosen zum meist an „überfachlichen Qualifikationen und Zusatzqualifikationen“ fehle – etwa an Sprachkenntnissen und Vertriebserfahrung.
Der UVB forderte gegenüber den PNN die Regierungen in Potsdam und Berlin sowie die Arbeitsagenturen auf, gemeinsam mit der Wirtschaft den Fachkräftemarkt der Region nach Branchen und Qualifikationsbedarf aufgeschlüsselt genauer zu analysieren: „Wir können den Fachkräftebedarf nicht mehr nur so allgemein diskutieren.“ Man müsse neben den pauschalen Studien, „ein Bild von dem bekommen, was in den einzelnen Branchen auf uns zukommt. Erst dann können die nötigen Arbeitsmarkt-, Bildungs- und Ausbildungsmaßnahmen zielgerichtet entwickelt werden", so Teufel.
Dem Berliner Senat wirft der UVB eine falsche Wirtschaftspolitik vor. Es werde zu viel auf Industrie gesetzt. „Dabei findet der Aufschwung in kleinen, jungen Firmen statt“, so Teufel. Berliner Zukunftsfelder seien etwa Medizintechnik und Hochleistungsmedizin.
Brandenburg, so Teufel, habe ein Nachholbedarf beim Bildungsniveau der Schulabgänger: „Da gibt es in Brandenburg ein paar Probleme. Die Jugendlichen, die aus den allgemeinbildenden Schulen kommen, sind oft nicht gut genug ausgebildet.“ Angesichts des Fachkräftemangels könne sich Brandenburg das nicht mehr leisten.
Doch der UVB hat auch festgestellt, dass viele Unternehmen schon weiter sind als die Politik. „Es hat sich gezeigt, dass besonders größere Unternehmen und Aus- und Weiterbildungseinrichtungen der Wirtschaft Fachkräftestrategien entwickelt haben, die ausgefeilter und differenzierter sind, als bekannt“, so Teufel. Viele Betriebe hätten sich in den Jahren, als es keinen Mangel an Fachkräften gab, entweder auf die Bildungsmaßnahmen der Arbeitsämter oder auf den freien Markt verlassen, so Teufel. Jetzt würden sie sich vermehrt um eigenen Nachwuchs kümmern.
So gehen Betriebe gezielt an die Universitäten, um sich Fachkräfte früh zu sichern. So vergibt das Funkwerk Dabendorf – Hersteller von Kommunikationselektronik – jährlich Stipendien an Studenten der Fachhochschule Wildau. Andere Betriebe, wie etwa die Meyenburger Möbel GmbH, die in der Prignitz Möbel u.a. für IKEA produziert, spricht gezielt Schüler an, und bietet Ausbildungspläne und Studienförderung an. Nach Angaben der IHK-Potsdam gehen immer mehr Betriebe in Brandenburg dazu über, potenziellen Studenten Studienverträge mit finanzieller Unterstützung anzubieten.
Teufels Fazit: „Der Kampf um die Eliten hat begonnen.“ Peter Tiede
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