Brandenburg: Kampfansage an sittenwidrige Löhne
Arbeitskreis der regionalen Jobcenter soll Schlagkraft erhöhen. Deutscher Gewerkschaftsbund kritisiert Versäumnisse
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Potsdam - Die Bundesagentur für Arbeit in Berlin-Brandenburg will konsequenter gegen sittenwidrige Löhne vorgehen. In der kommenden Woche soll dazu ein Arbeitskreis aus Vertretern der elf brandenburgischen und zwölf Berliner Jobcenter gegründet werden, wie der Sprecher der Regionalsdirektion Berlin-Brandenburg, Olaf Möller, am Mittwoch den PNN sagte. Erfahrungen einzelner Jobcenter, die wie berichtet bereits erfolgreich gegen Löhne unterhalb der ortsüblichen oder tariflichen Entgelte vorgegangen sind, sollen gebündelt werden. „Wir müssen schlagkräftiger werden“, so Möller.
In den vergangenen zwei bis drei Jahren haben die Jobcenter Möller zufolge vor allem im Alleingang Fälle verfolgt, bei denen Mitarbeiter gerade einmal zwei Drittel der gebotenen Löhne bekamen und deshalb gezwungen waren, zusätzlich Hartz IV zu beantragen. Für Schlagzeilen etwa hatte ein Fall in der Uckermark gesorgt, bei dem ein Pizza-Lieferservice in Prenzlau und in Schwedt Stundenlöhne von nur 1,50 Euro und 2,50 Euro gezahlt haben soll. Das Jobcenter Uckermark hatte vor dem Arbeitsgericht Eberswalde auf Rückzahlung der erstatteten Aufstockungsleistungen in Höhe von 11 000 Euro geklagt und wie berichtet Mitte September recht bekommen.
Auch in anderen brandenburgischen Kreisen gehen Jobcenter mittlerweile solchen Praktiken nach. Im Bereich der Agentur für Arbeit Cottbus, zu dem die vier Jobcenter Cottbus-Stadt, Elbe-Elster, Dahme-Spreewald und Oberspreewald-Lausitz gehören, ist nach Angaben von Agentursprecherin Bianca Kunze in diesem Jahr bereits in 141 Verdachtsfällen ermittelt worden. „In neun Fällen wurde Klage erhoben.“ Im Kreis Elbe-Elster steht sogar ein öffentlicher Arbeitgeber vor Gericht. Für Pflege- und Erhaltungsarbeiten sollen Stundenlöhne von nur 1,92 Euro gezahlt worden sein. Angaben des Jobcenters Elbe-Elster zufolge entspricht dies gerade einmal 20 Prozent des niedrigsten Tariflohns. Gerade solche Fälle machen aus Sicht von Olaf Möller deutlich, wie wichtig künftig eine „abgestimmte Aktion“ ist. „Es muss fachlichen Austausch geben, denn am Ende steht eventuell eine Klage vor dem Arbeitsgericht an“, so der Sprecher der Regionaldirektion.
Nach Sachsen und Thürungen ist Brandenburg das Bundesland mit den meisten sogenannten Aufstockern bundesweit. In Sachsen sind es nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit 33,5 Prozent aller erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, in Thüringen 33 Prozent und in Brandenburg 32,3 Prozent. Berlin kommt nur auf 29,9 Prozent. Allerdings sei nicht jeder Aufstocker gleich Opfer ausbeuterischer Arbeitgeber, gab Möller zu bedenken.
Wie viele Fälle sittenwidriger Bezahlung im Land Brandenburg bislang überhaupt registriert worden sind, lässt sich nur schwer ermitteln. Eine zentrale Erfassung für die Region gibt es bislang nicht. Auch das soll sich nun ändern. Aus Sicht des deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) kommt die Einsicht reichlich spät, zumal die Summe der Aufstockerleistungen in Brandenburg jährlich etwa 150 Millionen Euro betrage. „Das Problem liegt schon seit Jahren auf dem Tisch und wir erfahren immer nur Einzelfälle. Wie begrüßen, dass jetzt auch die Jobcenter hier gemeinsam gegen solche Geschäftsmodelle vorgehen wollen. Diese Reaktion ist überfällig“, sagte Gewerkschaftssprecher Dieter Pienkny den PNN. Bislang habe es von den Jobcentern immer nur geheißen, man sei für die systematische Erfassung nicht zuständig. Doch handele es sich bei den Aufstockungsleistungen schließlich um Steuergelder, mit denen sittenwidrige Löhne letztlich nur subventioniert würden, sagte Pienkny.
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