
© Zinken
Von Tanja Buntrock und Hannes Heine: Kapitän wehrt sich gegen Vorwürfe
Dampfer fuhr weiter, obwohl ein Mann von Bord gesprungen war, um ein Kind zu retten. Polizei ermittelt
Stand:
Berlin - Der Kapitän des Ausflugsdampfers, von dem aus ein Passagier in Berlin in die Spree gesprungen war und ein Kleinkind gerettet hatte, wehrt sich gegen den Vorwurf der unterlassenen Hilfeleistung. Das Kleinkind war, wie gestern berichtet, am Sonntag vom Ufer ins elf Grad kalte Wasser gefallen. Der Spandauer Arzt Nils Leege zog das Kind aus dem Wasser, nachdem er kurz vor der Lutherbrücke nahe dem Schloss Bellevue beherzt von Bord gesprungen war. Der Retter des zweijährigen Jungen kritisierte, dass der Dampfer „Schöneberg“ weitergefahren sei und das „Touristenprogramm fortgesetzt wurde, als ob nichts passiert wäre“, berichtet der Hals-Nasen-Ohrenarzt. Und das, obwohl er eine Kellnerin informiert habe, damit der Kapitän anhält.
Schiffsführer Torsten Schrepffer sagt nun dieser Zeitung: „Ich habe das Kind weder am Ufer noch im Wasser gesehen. Auch wusste ich nicht, dass ein Gast in die Spree gesprungen ist.“ Er habe auf den Fluss achten müssen. Als ihn die Kellnerin über das Kind informierte, sei er schon an der Lutherbrücke gewesen, wo er habe aufpassen müssen, das Bauwerk nicht zu rammen. „Ich habe gestoppt und sofort einen Funkspruch abgesetzt“, sagt Schrepffer. Eine andere Schiffsbesatzung habe ihm mitgeteilt, dass das Kind gerettet worden sei. Dann habe er die Tour ordnungsgemäß fortgesetzt.
Der Schiffsführer gilt als erfahrener Kapitän, seit mehr als zehn Jahren ist er im Dienst, seit sieben Jahren steuert er die „Schöneberg“. Lutz Freise, Chef der zuständigen Reederei Riedel, sagt, es sei schwer vorstellbar, dass niemand den Kapitän darüber informiert habe, dass ein Gast über Bord gesprungen sei. „Wenn er das Schiff nicht angehalten hat, obwohl er mittlerweile wusste, dass ein Passagier über Bord gegangen ist, müsste das disziplinarische Konsequenzen haben“, sagt Freise. Kapitän Schrepffer sei bisher aber beanstandungsfrei gefahren. Nun müsse herausgefunden werden, ob es ein Loch in der Informationskette gegeben habe. Der jetzige Stand sei aber, dass der Kapitän tatsächlich nicht gewusst habe, dass jemand vom Schiff gesprungen war. Das habe er erst nach der Tour von der Wasserschutzpolizei erfahren. Gegen Schrepffer wird wegen des Verdachts der unterlassenen Hilfeleistung ermittelt. Neue Erkenntnisse gebe es dazu derzeit nicht, hieß es am Dienstag bei der Polizei.
Leege war einer von 70 Passagieren, die zu einer dreieinhalbstündigen Tour mit der „Schöneberg“ durch Berlin unterwegs waren. Seine Frau und Schwiegermutter seien bis zum Ende der Tour an Bord geblieben, berichtet Leege. Die Frauen hätten nicht ausdrücklich gefordert, die Fahrt zu stoppen. Offenbar haben viele Passagiere gedacht, dass schon jemand anderes den Kapitän informiert habe, weshalb sie – wie auch Leeges Angehörige – nicht persönlich Bescheid gesagt haben.
Reeder Freise traf sich am Dienstag mit der Mannschaft des Ausflugsdampfers und ließ sich von den Ereignissen am Sonntag berichten. Zudem habe er von seinen Mitarbeitern eine Skizze gefordert und eine Reisegruppe per E-Mail um Schilderungen gebeten.
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