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Rundum kreativ. Neben seiner Arbeit am Computer malt Michael Kutsche auch mit Öl auf Leinwand. Für Alice im Wunderland hat er unter anderem die Rote Königin und das Weiße Kaninchen gestaltet.

©  Michael Kutsche/promo

Von Sebastian Leber: Karriere wie im Bilderbuch

Seit Donnerstag läuft „Alice im Wunderland“ im Kino. Die Figuren hat ein Berliner im Exil entwickelt

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Berlin - Den kompletten Film hat er selbst erst am vorigen Mittwoch gesehen, bei der Sondervorführung für die Crew in Los Angeles, die Darsteller waren auch anwesend. Michael Kutsche war ziemlich baff, was da alles über den Bildschirm flog, kroch, krabbelte. Obwohl: Ganz fremd waren ihm die Wesen nicht. Er hat sie schließlich entworfen.

Seit Donnerstag läuft die „Alice im Wunderland“ in den deutschen Kinos. Viele der Figuren hat ein 32-jähriger Berliner entwickelt. Erst mit Bleistift auf Papier, dann eingescannt und am Computer gefärbt. So machen das die „Character Designer“. Und Michael Kutsche ist in LA einer der gefragtesten.

Vor zwei Jahren hat er noch in Prenzlauer Berg gelebt. In seiner Wohnung in der Danziger, Ecke Dunckerstraße, ein Zimmer nutzte er als Atelier. Irgendwann kam er auf die Idee, seine bisherigen Arbeiten ins Internet zu stellen. Falls es mal jemanden interessiert. Dann kam der 17. April 2008, ein Donnerstag. Und die Mail von Sony. Ob Kutsche nicht Lust habe, an einer größeren Filmproduktion mitzumachen, stand da. Und Kutsche hatte Lust, obwohl er noch gar nicht wusste, dass es um Alice ging. Er hat Tim Burton in seinem Londoner Büro besucht. Und war überrascht, dass seine eigenen Zeichnungen schon an der Wand hingen.

Für Alices Wunderland konnte sich Kutsche austoben: Er gestaltete das weiße Kaninchen, die Raupe Absolem, die Grinsekatze, die rote Königin. Weil die Produktion unter Zeitdruck stand, arbeitete Kutsche noch an seinen Figuren, als die Dreharbeiten bereits liefen. Deshalb war er häufig am Set, zuerst im englischen Plymouth, später auch in Kalifornien, dort bezog er einen Wohnwagen direkt neben dem Set. Hektisch war es, sagt Kutsche, überall gestresste Leute mit Knopf im Ohr. Und mittendrin Johnny Depp, der Tim Burtons Kopf aus einem Foto ausschneidet und auf das Cover eines Bodybuildermagazins klebt. Ein Superstar, der sich nicht so gibt, sagt Kutsche. Sehr angenehm. Wäre es nur nach Kutsche gegangen, sähen die Figuren im Wunderland ein bisschen anders aus. Seine ersten Entwürfe waren düsterer, „vielleicht nicht ganz familientauglich“. Die Rüstung des Herz-Buben bestand nur aus Hautfetzen und einem Lymphsystem. Da hat er sich von Gunther von Hagens Körperwelten inspirieren lassen, sagt Kutsche. Die Filmleute fanden seinen Entwurf interessant. Und baten schnell um einen neuen.

Seit anderthalb Jahren lebt Kutsche jetzt mit seiner Frau in Los Angeles, ein Auftrag folgt dem nächsten. Er hat die Figuren für „Thor“ entwickelt, der Riesenproduktion mit Natalie Portman, die im nächsten Jahr ins Kino kommt. Derzeit fährt er jeden Morgen mit dem Auto eine Stunde von seiner Wohnung in Venice bis nach Glandale, da sind die bekannten Dreamworks-Studios. Woran genau Kutsche dort arbeitet, darf er nicht verraten, das Projekt ist noch geheim. Kutsche sagt, er habe auf seinem Computer ständig die Übersetzungsseite leo.org offen, da suche er sich Vokabeln. Aber wenn man mit ihm telefoniert, und dann ein Kollege ins Büro platzt, dann spricht Kutsche schon sehr sicher und mit breitem kalifornischen Akzent.

Auch die „LA Times“ ist auf Kutsche aufmerksam geworden, hat ihn interviewt und einen längeren Text über die „Cinderella-Story“ des Deutschen geschrieben, der in LA sein Glück fand.

Eigentlich wollte er seine Wohnung in der Danziger Straße behalten, für alle Fälle. Aber dann lief dem Untermieter die Spülmaschine aus, und Kutsche merkte, dass sich solche Probleme schwer von einem anderen Kontinent aus regeln lassen. Irgendwann will er nach Berlin zurück. Wenn er mal Kinder hat, sollen die hier aufwachsen. Vorher will er mit seiner Frau noch eigene Projekte auf die Beine stellen. Zum Beispiel ein Kinderbuch schreiben. Und das dann verfilmen. Klingt ganz schön ambitioniert. Aber wahrscheinlich muss Kutsche bloß wieder auf eine Mail warten.

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