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Brandenburg: Kattes Geburtstag jährt sich heute zum 300. Mal

Deutsch-polnische Tafel erinnert an Hinrichtungs-Tragödie von Küstrin / Investor für Aufbau der Altstadt-Ruinen nicht in Sicht

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Deutsch-polnische Tafel erinnert an Hinrichtungs-Tragödie von Küstrin / Investor für Aufbau der Altstadt-Ruinen nicht in Sicht Von Jörg Schreiber Kostrzyn. Zwischen den Fundamentresten der in den letzten Kriegstagen untergegangenen Küstriner Altstadt steht nahe des Oder-Ufers eine zweisprachige Hinweis-Tafel. Sie erinnert an ein tragisches Schicksal, um das sich bis heute viele Legenden ranken. Fest steht, dass auf der seit 1945 zu Polen gehörenden Festung Küstrin Hans Hermann von Katte am 6. November 1730 im Alter von 26 Jahren „mit dem Schwert enthauptet wurde“, wie es auf der Tafel heißt. Das sei vor den Augen seines besten Freundes, des späteren Königs Friedrich des Großen, geschehen, der auf Geheiß des Vaters Friedrich Wilhelm I. zuschauen musste. Am Samstag jährt sich der Geburtstag des 1704 in Berlin geborenen Katte zum 300. Mal. Zu diesem Jubiläum sind zwar weder am deutschen noch am polnischen Oder-Ufer spezielle Gedenkveranstaltungen vorgesehen. Es gibt einfach zu viele geschichtsträchtige Daten, die in der zerstörten Altstadt von Küstrin gefeiert werden könnten, sagt Martin Rogge. Er ist Vorsitzender des mehr als 80 Mitglieder zählenden Küstriner Geschichtsvereins, der alljährlich die Festungstage veranstaltet. Der Mythos rund um den gewaltsamen Tod Kattes lebt bis heute auf beiden Seiten der Grenze fort. In Kostrzyn – wie Küstrin heute heißt – sei das Geschehen bereits im Jahr 2000 nachgestellt worden, erinnert sich Ryszard Skalba, der in der Stadtverwaltung für Marketing zuständig ist. Am wahrscheinlichen Enthauptungsort auf dem früheren Kattewall zwischen der Bastion Brandenburg und dem nur noch im Grundriss erkennbaren Schloss sei die besagte Erinnerungstafel aufgestellt worden. Ob das wirklich der historische Ort ist, wo Scharfrichter Coblentz sein Schwert schwang, könne er aber nicht sagen. Geschichtsforscher würden sieben verschiedene Stellen nennen. Skalba bedauert, dass das Museum auf der Festungs-Bastion Philipp geschlossen ist und wohl auch in diesem Jahr noch nicht öffnen wird. Die Stadt wolle die touristische Betreuung der Festung und damit auch des Museums ausschreiben. Denn Polen und Deutsche sind sich einig, dass die zerstörte Altstadt – das polnische „Pompeji“ – mit seiner Geschichte zu einem Touristenziel werden soll. Gemeinsam mit der deutschen Seite sei dazu ein grenzüberschreitendes Netzwerk mit dem Arbeitstitel „Festung Küstrin – Bastion der Geschichte“ geplant, das auch Fördermittel einwerben wolle. Es sei eine einmalige Chance, mit den Ruinen des untergegangenen Küstrin Touristen anzuziehen, sagt Rogge. „Wo finden Sie in Mitteleuropa noch eine Stadt, in der die Kriegswunden bis heute so offensichtlich sind?“ fragt er. Deshalb trete sein Verein auch für einen Erhalt als Flächen-Mahnmal und gegen einen Wiederaufbau der Altstadt ein, das alte Küstrin würde es ohnehin nicht mehr werden. Stattdessen sollten die in den 90er Jahren von den Polen freigelegten Mauerreste, Straßenpflaster und Keller konserviert werden. Bei einem Spaziergang ist deutlich zu erkennen, dass einige der Mauern zu zerfallen drohen. Auch die zweisprachigen Straßenschilder sind schon wieder verschwunden. Freilich ist Rogge zu Kompromissen bereit: „Einen Wiederaufbau der Pfarrkirche können wir uns vorstellen“, sagt er. Die Katholische Kirche Polens habe dem schon zugestimmt. Heute steht dort in den Ruinen ein Kreuz, vor dem Freiluft-Gottesdienste abgehalten werden. An einen Wiederaufbau des Schlosses – von dessen Fenstern Kronprinz Friedrich der Enthauptung Kattes zugesehen haben soll – glaubt er dagegen nicht. Auch Skalba räumt ein, dass sich auf eine internationale Ausschreibung zum Verkauf des Schlosses für einen symbolischen Zloty bisher kein Investor fand. Der müsste nämlich das Gebäude wieder errichten. Der Aufbau der gesamten Altstadt wäre für die Kommune ohnehin zu teuer, sagt Skalba. Die Stadt beschränke sich daher auf Erschließungsarbeiten. In rund zwei Monaten werde am Rande der Altstadt auf der früheren Bastion Kronprinz gleich neben mehreren Investruinen das erste wirklich neue Gebäude in Betrieb gehen – ein von zwei Geschäftsleuten betriebenes Hotel. Die Klinker-Fassade mit den großen Schaufensterscheiben ist schon fertig. Und vom 21. Juni bis 31. August wird die zerstörte Festung zu einer deutsch-polnischen „Bastion der Kunst“, auf der Künstler aus beiden Ländern 20 speziell für das Gelände konzipierte Werke ausstellen.

Jörg Schreiber

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