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Brandenburg: Keine Zeit für Panik

Die Vogelgrippe ist da. Die Politik ist in der Krisenbewältigung um Nüchternheit bemüht

Criewen/Schwedt - Es war 10 Uhr Vormittags als Brandenburgs Agrarstaatssekretär Dietmar Schulze am Samstag die Nachricht erhielt: Die Vogelgrippe hat Brandenburg erreicht. Das Friedrich-Löffler-Institut auf der Ostseeinsel Riems hat in einem Höckerschwan und in einer Wildente das auch für den Menschen gefährliche Virus H5N1 nachgewiesen.

Die Nachricht überraschte den in Criewen bei Schwedt wohnenden Staatssekretär ebenso wenig wie der Umstand, dass die beiden Tiere fast vor seiner Haustür in der Uckermark gefunden wurden. Schließlich befindet sich in unmittelbarer Nähe von Schwedt der Nationalpark Unteres Odertal. Er gehört zu den größten Rast- und Durchzugsgebieten von Wildvögeln in Deutschland. Schulze hatte erst am Tag zuvor in Potsdam gesagt, dass es nur noch eine Frage der Zeit sei, bis die Tierseuche auch in Brandenburg nachgewiesen wird. Da muss er schon gewusst haben, dass es einen Verdacht gibt.

Denn bei Schwedt waren am Mittwoch an verschiedenen Orten insgesamt zehn tote Tiere gefunden und im Landeslabor in Frankfurt (Oder) untersucht worden. Zwei verdächtige Befunde erwiesen sich dann bei der Kontrolle im Friedrich-Löffler-Institut als positiv. Ob Schwan und Ente mit der aggressiven asiatischen Variante von H5N1 infiziert waren, können die Forscher noch nicht sagen – am Dienstag soll das Ergebnis vorliegen.

Am Freitag hatte Schulze die Landräte und die Verantwortlichen der Krisenstäbe der Landkreise und kreisfreien Städte in Potsdam versammelt. Mit dem Verdacht im Hinterkopf, dass der Virus in Brandenburg bereits angekommen ist, hatte er den Stand der Vorbereitungen abgefragt. Antwort: Die Krisenstäbe stehen, es gibt genug Personal und Ausrüstung.

Klemens Schmitz, der SPD-Landrat von Uckermark, der seit Samstag die Krise zu verwalten hat, hatte noch am Freitag in Potsdam gesagt, dass sein Kreis mit den großen Vogelschutzgebieten einer der ersten sein könnte, in dem das Virus gefunden wird. Der Kreis sei aber gut auf Krisenfälle vorbereitet – beim Oder-Hochwasser habe man wertvolle Erfahrungen gesammelt. „Wir wissen, wie die Kommunikation am besten läuft, auf wen man sich verlassen kann.“

Schmitz hatte Journalisten noch erklärt, was in der Katastrophenvorsorge „Chaosphase“ bedeutet: „Die kurze Zeit, die man nach Bekanntwerden eines Krisenfalls benötigt, um genau zu wissen, wer benachrichtigt werden muss und welche Sofortmaßnahmen zu treffen sind.“ Es sei eben ein Unterschied, ob ein infizierter Vogel in der Pampa gefunden wird oder in einer Stadt. Am Samstag ist der Unterschied egal: Ein Tier lag am Stadtrand von Schwedt, eins in der Pampa.

Am Sonntag bekommt Schmitz bescheinigt, dass sein Krisenstab hervorragend gearbeitet hat. Keine Spur von Chaosphase.

Unmittelbar nach Bekanntwerden des Befundes trat der Krisenstab des Landkreises Uckermark unter Schmitz zusammen. Der Fundort der infizierten Tiere darf nicht betreten werden, die Polizei riegelt das Gebiet ab. Der Umkreis von drei Kilometern ist zum Sperrbezirk erklärt. Es ist in diesem Bereich nicht mehr erlaubt, Geflügel zu schlachten oder zu vermarkten. Besucher müssen mit Kontrollen rechnen, die etwa 20 Geflügelbetriebe erhielten Seuchenmatten.

Der Umkreis von zehn Kilometern gilt als so genannter Beobachtungsbezirk. Dort werden alle Geflügelbestände, auch die von privaten Nutzern, überprüft. Vorsorgliche Tötungen von Nutzgeflügel schloss Staatssekretär Schulze sofort aus: „Im betroffenen Gebiet befindet sich kein größerer Betrieb, es gibt aber in den im Beobachtungsbezirk liegenden vier Dörfern viele kleine Geflügelhalter. Wenn wir bei den Tupfer- und Blutproben keine positiven Befunde feststellen, müssen die Tiere auch nicht getötet werden.“ Weil die infizierte Ente auf dem Gebiet der PCK-Raffinerie bei Schwedt gefunden wurde, wurden an den Zufahrten des ohnehin gesicherten Betriebsgeländes bereits Seuchenmatten ausgelegt.

Da der Fundort der infizierten Tiere in Grenznähe liegt, wurden am Samstag auch die polnischen Behörden informiert. Ein Teil des Beobachtungsgebietes befindet sich auf ihrem Territorium. „Wir gehen davon aus, dass unser Nachbarland als EU-Mitglied alle notwendigen Maßnahmen ergreift“, sagte Staatssekretär Schulze, der noch am Freitag die „problematische Informationspolitik“ Polens in Sachen Vogelgrippe kritisiert hatte.

Einen Tag nach Eintreten des Ernstfalles für die Seuchenbekämpfer und Krisenbewältiger in Brandenburg kam einer wieder an die Oder, der hier einst sein Examen als Landespolitiker gemacht und sich mit seinem Krisenmanagement für höhere Dinge im Land empfohlen hatte. Ministerpräsident Matthias Platzeck, der „Deichgraf“, kam, bestieg wieder einen Deich und moderierte im schwarzen Stehkragenpullover die Pressekonferenz im Nationalpark „Unteres Odertal“. Neben Platzeck der Wojewode des polnischen Kreises Westpommern, Robert Krupowicz. Auch der oberste Tierarzt Tomasz Grupinski war aus Stettin in das kleine Dorf Criewen in der Uckermark gekommen.

Im Krisenfall, so eine Botschaft an diesem Tag, klappt es auch mit Polen wieder.

Ausdrücklich loben Platzeck und Brandenburgs Agrarminister Dietmar Woidke die Zusammenarbeit mit den polnischen Behörden. Jetzt im Ernstfall hätten sich die seit Jahren zwischen Veterinären, Naturschützern und Kommunalpolitikern bestehenden guten Beziehungen bewährt.

Die polnischen Politiker berichteten nun auch direkt über die Maßnahmen, die sie seit Bekanntwerden der Infektion am Sonnabend ergriffen haben. Ein Teil der um den Fundort errichteten Beobachtungszone liegt auf polnischem Staatsgebiet. Auch dort werde nun das Nutzgeflügel verstärkt kontrolliert. Eine von Warschau offenbar in Erwägung gezogene Schließung der Grenzübergänge hält der Wojewode gegenwärtig nicht für notwendig. Auch Platzeck nicht.

Platzeck sagt, die Situation sei ernst, aber man dürfe nicht vergessen, dass es sich derzeit nur um eine Tierseuche handele. Eine vorsorgliche Tötung von Nutzgeflügel, wie auf Rügen praktiziert, lehnt er ab.

Die Einwohner in den Dörfern entlang der Oder geben sich eher gelassen. „Es gab auch schon früher Tierseuchen wie die Hühnerpest oder die Maul- und Klauenseuche, sagt etwa Ines Rohde. Die 45-Jährige wohnt in Criewen. „Meine Katzen laufen draußen herum, ich gehe weiter auf dem Oderdeich spazieren – wenn man sich normal verhält, also keine toten Tiere anfasst und die normalen hygienischen Regeln beachtet, kann nichts passieren“, sagt Rohde. Ihre acht Hühner hat sie schon im Dezember geschlachtet, als in Deutschland schon einmal die Stallpflicht galt. Der Stall sei zu klein gewesen, das Wasser in den Trinkgefäßen ständig gefroren, das Rotlicht, um die Hühner zu wärmen, wäre zu teuer gewesen.

Rohde verhält sich so, wie es sich die Krisenmanager und Politiker in Brandenburg von ihrer Bevölkerung wünschen: sachlich, nüchtern, wachsam aber unaufgeregt.

Platzeck fährt am Sonntag noch auf eine Stippvisite in den Nationalpark. Die Sonne scheint auf vereiste Wasserflächen mit Enten, Schwänen und Gänsen. Tote Tiere sieht er keine. Eine Masseninfektion habe es offensichtlich nicht gegeben, sagt Platzeck. Vielleicht sei der Virus ja doch nicht die hochansteckende asiatische Variante von H5N1, sagt er.

Am Dienstag weis Brandenburg mehr. Bis dahin wird gehofft.

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