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Von Matthias Matern: Kinderarmut: Kaum Aufstiegschancen Rund 18,5 Prozent der unter 18-Jährigen in Brandenburg leben am Existenzminimum

Potsdam - Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahl sinkt. Doch beim „Massenphänomen Kinderarmut“ ist keine Trendwende in Sicht, ist sich Bernd Mones, Geschäftsführer des Landesjugendrings Brandenburg sicher.

Von Matthias Matern

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Potsdam - Die Wirtschaft brummt, die Arbeitslosenzahl sinkt. Doch beim „Massenphänomen Kinderarmut“ ist keine Trendwende in Sicht, ist sich Bernd Mones, Geschäftsführer des Landesjugendrings Brandenburg sicher. Rund 18,5 Prozent der Kinder und Jugendlichen zwischen sechs und 18 Jahren im Land Brandenburg sind laut Landessozialministerium von Armut bedroht. Die meisten davon leben mit ihren Eltern von staatlicher Unterstützung. Zwar ist die Zahl der Hartz IV-Bedarfsgemeinschaften im Land nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit seit 2006 von rund 210 000 auf etwa 170 000 in diesem Jahr zurückgegangen, am grundlegenden Problemen ändert sich jedoch nichts, meint Mones. Vor allem in strukturschwachen Regionen wie der Uckermark oder der Prignitz werden die Zukunftschancen vieler Kinder gering bleiben.

In Potsdam endet am heutigen Mittwoch eine zweitägige Tagung zum Thema Kinderarmut. Anlass ist das „Europäische Jahr zur Bekämpfung von Armut und sozialer Ausgrenzung“. Nach Definition der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) gilt als armutsgefährdet, wer über maximal 60 Prozent des durchschnittlichen Monatseinkommens verfügt. Nach Angaben des aktuellsten brandenburgischen Lebenslagenberichts waren das 2007 knapp 14 Prozent der Bevölkerung, gut drei Prozent mehr als 1996. Besonders betroffen sind laut des Berichts Alleinerziehende mit Kindern unter 18 Jahren. 33,5 Prozent gelten als von Armut bedroht. Bei Paaren mit Kindern unter 18 Jahren sind es 12,4 Prozent. Je mehr Kinder eine Familie hat, desto höher ist zudem das Armutsrisiko.

Für die Kinder hat das Leben am Existenzminimum nicht nur Folgen für das seelische Wohlbefinden, sondern auch für die körperliche Entwicklung. „Wachstumsstörungen und mangelnde Zahngesundheit kommen bei Kindern aus Familien mit erhöhtem Armutsrisiko drei- bis fünfmal so häufig vor wie bei Kindern aus finanziell gesicherten Elternhäusern“, berichtet Bernd Mones vom Landesjugendring Brandenburg. Sprachstörungen würden bei etwa 25 Prozent der armutsgefährdeten Kinder festgestellt, bei Kindern aus Familien mit hohem finanziellen Status dagegen nur bei sieben Prozent.

Aufstiegschancen sieht Mones kaum. „Häufig haben die Eltern keine Berufsausbildung und damit kaum Aussicht auf einen Arbeitsplatz.“ Zudem würden immer mehr Jugendliche die Schule ohne Abschluss verlassen, gibt Mones zu bedenken. Angaben des brandenburgischen Bildungsministeriums zufolge beträgt der Anteil der Schulabbrecher rund zehn Prozent. „Ein Teufelskreis, der sich nur schwer durchbrechen lässt“, meint der Geschäftsführer des Landesjugendrings.

Allein den Eltern die Schuld zu geben, hält Mones für falsch. „Das Risiko wird durch die staatlich verordnete Armut vergrößert.“ Die Einführung von Hartz IV 2005 habe die Zahl der Betroffenen ansteigen lassen. Statt, wie bei der früheren Arbeitslosenhilfe, die Leistungen nach dem letzten Einkommen zu berechnen, wurden willkürlich meist niedrigere Regelsätze festgelegt. „Jetzt hat sich die Bundesregierung an den unteren 25 Prozent der Einkommen orientiert“, meint der Experte. „Insgesamt hat sich die finanzielle Situation vieler Familien verschlechtert.“

Besonders verbreitet ist Kinderarmut laut Mones in berlinfernen Regionen wie der Uckermark oder der Prignitz. Auch in Frankfurt (Oder) leben viele Familien am Existenzminimum. „Mehr als 30 Prozent der Kinder sind auf Transferleistungen angewiesen“, berichtet Kati Stoll-Hellert, Leiterin des Regionalbüros des Paritätischen in der Oderstadt. Nicht der Mangel an Hilfen sei oft das Problem, sondern der Kontakt zu den Eltern. „Dafür brauchen wir eine bessere Infrastruktur“, so die Regionalbüroleiterin. Oft seien die Eltern von den alltäglichen Geldsorgen so erschöpft und resigniert, dass sie keine Kraft mehr hätten, staatliche Angebote zu suchen, oder Telefonbücher durchzuwälzen, schildert sie. „Finanzielle Ängste sind ein großer Stressfaktor.“

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