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Brandenburg: Kinderzuschlag als Bürokratiefalle

SPD-Abgeordnete Schröder legt Zahlen für Land vor und verlangt Änderungen

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SPD-Abgeordnete Schröder legt Zahlen für Land vor und verlangt Änderungen Potsdam - Der von der Bundesregierung zusammen mit den Hartz-IV-Gesetzen geschaffene Kinderzuschlag entwickelt sich in der Praxis zur Bürokratiefalle, die Zielgruppe der armen Familien profitiert kaum davon. Davor warnt die SPD-Landtagsabgeordnete Esther Schröder in einer Mitteilung ihres Hartz-IV-Kontaktbüros. Die Kernfrage darin: „Inwieweit ist der hohe Aufwand vor dem Hintergrund einer hohen Ablehnungsquote vertretbar?“ Das Grundproblem des Zuschlags: Er wird kaum bewilligt. Laut Esther Schröder wurden von Januar bis August 2005 landesweit knapp 15 000 Anträge abgelehnt – bei rund 500 Bewilligungen. Rund 7500 der Ablehnungen wurden von der zuständigen Familienkasse mit der Begründung versehen, dass die Betroffenen die „Mindesteinkommensgrenze“ für den Zuschlag unterschreiten, also zu wenig verdienen. „Die Leute mit Ablehnungen werden dann dazu aufgefordert, Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld zu beantragen – egal ob sie arbeitslos sind oder nicht“, sagt Lutz Schmidt, Mitarbeiter in Schröders Hartz IV-Büro. Das Problem ist laut Schmidt, dass der neue Antrag wieder Bearbeitungszeit braucht. Dabei ist der Kinderzuschlag gerade für Familien erdacht worden, die nur geringen finanziellen Spielraum besitzen. Bis zu 140 Euro mehr gibt es monatlich pro Kind. Laut Gesetz wird er maximal 36 Monate lang an Eltern gezahlt, die mit ihren Einkünften den eigenen Unterhalt bestreiten können, nicht aber den ihrer Kinder. Zusammen mit Kindergeld und Wohngeld soll so in der Theorie der zusätzliche Bedarf gedeckt werden – wenn die Eltern in der Praxis nicht zu wenig oder zu viel verdienen. In einer Beispielrechnung der Arbeitsagentur beträgt das für den Zuschlag nötige Mindesteinkommen einer Familie mit einem Kind und einer 750 Euro-Miete 1130 Euro. Das Maximaleinkommen liegt mit 1270 Euro nur 140 Euro nur höher. „Der finanzielle Korridor zur Bewilligung ist zu klein“, so Schmidt. Schwer sei es besonders, wenn Eltern ein geringes und zum Beispiel wegen Überstunden schwankendes Einkommen besitzen, sagt Schmidt vom Hartz-IV-Büro. „Die davon Betroffenen müssen jeden Monat neu den Kinderzuschlag beantragen – und müssen so je nach Monatseinkommen wieder Arbeitslosengeld II beantragen.“ Esther Schröder nennt den Zustand des ständigen Schreibens von Anträgen für die betroffenen Familien eine „paradoxe“ Situation. „Die Frage, wann nun welches Geld beantragt werden muss, können oft selbst die zuständigen Behörden nicht beantworten“, sagt Schröder. Manche Betroffene hätten ein halbes Jahr und länger auf Bescheide und damit das benötigte Geld warten müssen. „Diese Zustände sind unhaltbar“, kritisiert sie das Verfahren. Und in der Tat: Sechs Seiten lang ist der Antrag auf den Kinderzuschlag. „Die Bearbeitung bei uns dauert rund 30 bis 60 Minuten, etwa so lang wie die Anträge für Hartz IV“, sagt Isabel Wolling, Sprecherin der Arbeitsagentur Potsdam. Es sei ein „umfangreiches“ Verfahren. Die Zahlen von Esther Schröder kann sie für ihren Agenturbezirk bestätigen. Dort wurden laut ihren Angaben bis Ende August von 4504 Anträgen 3547 abgelehnt – auch hier der Großteil, weil die Eltern zu wenig Geld verdienten. In der Potsdamer Familienkasse bearbeiten allein drei bis vier Mitarbeiter die Anträge auf Kinderzuschlag . Eine Bewertung des Gesetzes möchte Wolling nicht vornehmen: „Wir sind die ausführende Verwaltung, die bestehende Gesetze umsetzen muss.“ Esther Schröder will ihr Anliegen nun nach Berlin tragen und glaubt, dass es nicht nur ein Brandenburger Problem ist. „Alle Bundesländer sollten ihre Erfahrungen mit dem Zuschlag bündeln und an den Bund weiterleiten“, so Schröder. „Die Weiterentwicklung dieses Gesetzes durch die neue Bundesregierung ist eine vordringliche Aufgabe.“ Henri Kramer Hartz IV-Büro: Tel.: (0331) 966 13 90

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