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Brandenburg: Klassenzimmer beim Nachrichtendienst

Wegen der rechtsextremen Jugendkultur unterrichtet der Verfassungsschutz Schulklassen bei sich

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Wegen der rechtsextremen Jugendkultur unterrichtet der Verfassungsschutz Schulklassen bei sich Von Michael Mara Potsdam - „Wann ist der Hitlergruß ein Hitlergruß?“ Jonas Grutzpalk, der mit dieser Frage nicht gerechnet hat, muss erst überlegen: Es müsse ein Bekenntnis damit verbunden sein, sagt er schließlich. „Wenn jemand nur den Arm zur Seite reckt, ist das noch kein Hitlergruß.“ Die 15 Schüler der 11. Klasse des Evangelischen Gymnasiums Hermannswerder sind neugierig, wollen viel wissen, in dieser besonderen Unterrichtsstunde. Denn der Lehrer da vorn ist Verfassungsschützer. Und der Unterricht findet nicht an ihrer Schule, sondern im Potsdamer Sitz des Nachrichtendienstes statt - in einem extra mit Schultafel und Monitor hergerichteten Klassenzimmer. Es ist eine Premiere: Künftig soll hier „jeden Tag“ unter dem Motto „Verfassungsschutz macht Schule“ unterrichtet werden. „Wir reagieren damit auf die neue Dimension rechtsextremistischer Jugendkultur“, erläutert Helmut Müller-Enberg, Referatsleiter Öffentlichkeitsarbeit im Verfassungsschutz. Dafür sei extra ein Soziologe eingestellt worden. Zwar habe man auch bisher schon ab und an Vorträge in Schulen gehalten. Doch zeige sich, dass dies nicht ausreiche. „Die Anfragen von Lehrern nehmen zu“, berichtet Müller-Enberg – und nennt einen Grund, der verwundern muss: „Die Lehrer sind unsicher, sie wissen oft nicht, was sie Schülern antworten sollen.“ Und das, obwohl die Aufklärung über den Rechtsextremismus seit Jahren für das Bildungsministerium, für das dort angesiedelte Aktionsbündnis gegen Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit Priorität hat. In Schulen und Elternhäusern passiere zu wenig, klagt Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) seit langem und verweist auf ein krassen Fall: Die Polizei hob kürzlich in Nauen eine rechtsextreme Jugendclique aus, die Anschläge auf Asia-Imbisse und Döner-Buden verübt hatte. Der Generalstaatsanwalt ermittelt erstmals wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Der Anführer: Ein Gymnasiast. Müller-Enberg betont, dass bei den jüngsten Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen vor allem junge Leute rechtsextreme Parteien gewählt hätten und man auch darauf reagieren müsse. In der ersten Unterrichtsstunde beim brandenburgischen Verfassungsschutz geht es - auf Wunsch der Gymnasiasten - vor allem um rechtsextremistische Musik: Aus den Lautsprechern dröhnen harte Bässe, die Schüler sollen herausfinden, welche Botschaften transportiert werden. „Ein Europa für die weiße Rasse“, das „alte Reich zurück“, zählen sie auf . Ein Mädchen berichtet, dass sie schon Kontakt mit solcher Musik hatte. Einige nicken. Verfassungsschützer Jonas Grutzpalk: „Ja, die Musik dient als Einstiegsdroge.“ Natürlich wird auch über den Verfassungsschutz gesprochen: Wen beobachtet er? Wer kontrolliert ihn? Wann ist jemand Extremist? Dürfen V-Leute mitprügeln? Nein, sagt Grutzpalk. „Aber dann fliegen sie ja auf“, sagt ein Schüler skeptisch.

Michael Mara

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