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Brandenburg: Kleine Reform des Föderalismus

Land und Kommunen streiten um Zuständigkeiten und Aufgaben

Potsdam - Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sieht Brandenburg in einer bundesweiten Vorreiterrolle, wie sich das Land den demografischen Herausforderungen etwa der Entvölkerung der Randregionen stellt. In der Praxis relativiert sich dieses Bild: Platzecks Regierung hat mittlerweile zwar begonnen, die Förderprogramme auf Wachstumsbranchen, ausgewählte Städte und das Berliner Umland neu auszurichten. Aber wie die Verwaltungsstrukturen im „schrumpfenden“ Brandenburg aussehen sollen, ist nach wie vor völlig unklar – so die einhellige Kritik auf einer Expertenanhörung gestern im Landtag.

Danach dümpelt anders als etwa in Mecklenburg-Vorpommern die so genannte Funktionalreform, eine Art „innerbrandenburgische Föderalismusreform“, mit der die Aufgaben und Zuständigkeiten von Kommunen, Landkreisen und Ministerien neu geregelt werden sollen, in Brandenburg vor sich hin – als würden die Einwohnerzahlen nicht sinken, das Geld in den Kassen von Land und Kommunen nicht immer knapper.

Zu der Anhörung hatte die Linkspartei-Opposition geladen, die die Funktionalreform als Achillesferse des von Platzeck eingeleiteten Kurswechsels erkannt hat – und ihre Kritik von der PDS-Nähe unverdächtiger Seite bestätigt bekam. „Ich vermisse vom Land ein Grundkonzept für die Funktionalreform. Wir haben zur Zeit ein Durchwursteln, das sich nach Tagesereignissen richtet“, sagte Gernot Schmidt, der neue SPD-Landrat von Märkisch-Oderland, der bis November 2005 Fraktionsgeschäftsführer der SPD-Landtagsfraktion war. Und Jens Graf vom Städte- und Gemeindebund kritisierte: „Es fehlt ein Gesamtbild für das Land. Es fehlt der Ansatz: Wo wollen wir mit den Verwaltungsstrukturen eigentlich hin?“

Dabei ist die Funktionalreform sogar die älteste, die „Mutter aller Reformen“ im Land Brandenburg. Sie war bereits 1993 begonnen worden, mit dem Ziel, bisherige Landesaufgaben auf die Kommunen zu übertragen. Man versprach sich mehr Bürgernähe, wenn bisherige dem Land unterstehende Ämter in die Hoheit von Städten und Gemeinden überführt werden, wie es in dem damals vom Landtag beschlossenen und rechtskräftigen Gesetz vorgesehen war.

„Das Gesetz ist in Vergessenheit geraten. Das Land hält sich nicht daran“, beklagte Peter-Paul Humpert vom Landkreistag. Passiert sei jedenfalls fast nichts. Es gebe in Brandenburg „erhebliche Handlungsdefizite“, eine „Gesetzeswirklichkeit und eine wirkliche Wirklichkeit, die sich davon unterscheidet“. Statt der Kommunalisierung gebe es einen eindeutigen Trend zur „Zentralisierung“ – etwa werde jetzt versucht, die Kataster- und Vermessungsämter wieder dem Land zuzuordnen. Auch die jetzt von der CDU-Landtagsfraktion erhobene Forderung, die kommunalen Jugendämter der Fachaufsicht des Landes zu unterstellen, passe in dieses Bild.

Landrat Schmidt, der als früherer SPD-Fraktionsgeschäftsführer den Potsdamer Politikbetrieb bestens kennt, sieht darin eine typische Denkweise auch für die Regierung: „Das Land hat die Fachaufsicht, die Städte und Gemeinden bezahlen und führen Anweisungen aus.“

Dabei seien die Gemeinden, die durch die Gemeindereform leistungsfähiger wurden, für neue Aufgaben gerüstet, sagte Stefan Ludwig, der PDS-Bürgermeister von Königs Wusterhausen. Er bescheinigte zumindest dem CDU-Landeschef Jörg Schönbohm geführte Innenministerium, ein „Motor“ bei der Funktionalreform zu sein. Bremser seien die anderen Fachministerien, die kein Interesse hätten, Aufgaben an Kommunen abzugeben.

Das Innenministerium, das wie Städtebund und Landkreistag zu der Anhörung geladen war, sagte seine Teilnahme ab. In einem Brief begründete es Schönbohm damit, dass die Funktionalreform laut Koalitionsvertrag von SPD und CDU erst in der nächsten Legislaturperiode angepackt werden soll. Und die SPD-Landtagsfraktion befasste sich gestern mit der gerade beschlossenen Föderalismus-Reform auf Bundesebene, auf die sie keinen Einfluss hat.

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