Brandenburg: Kliniken helfen Vergewaltigten nur begrenzt Kirchliche Einrichtungen lehnen „Pille danach“ ab
Berlin - Der Kölner Fall, bei dem eine mutmaßlich vergewaltigte, verzweifelte Frau von gleich zwei katholischen Kliniken als Patientin abgewiesen wurde, ist bei Berlins Gesundheitsexperten auf heftige Kritik gestoßen. „Bei uns gibt es Kopfschütteln und Entsetzen“, sagt Christian Handrock, Vize-Landesvorsitzer des Bundesverbandes der Frauenärzte in Berlin und Vorstandsmitglied der Ärztekammer.
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Berlin - Der Kölner Fall, bei dem eine mutmaßlich vergewaltigte, verzweifelte Frau von gleich zwei katholischen Kliniken als Patientin abgewiesen wurde, ist bei Berlins Gesundheitsexperten auf heftige Kritik gestoßen. „Bei uns gibt es Kopfschütteln und Entsetzen“, sagt Christian Handrock, Vize-Landesvorsitzer des Bundesverbandes der Frauenärzte in Berlin und Vorstandsmitglied der Ärztekammer. Aber auch Ärzte in den zehn Berliner und zwei Brandenburger Kliniken in katholischer Trägerschaft verschreiben selbst Vergewaltigungsopfern „prinzipiell nicht ,die Pille danach’“, sagt Thomas Gleißner, Sprecher der Caritas, die katholische Kliniken betreibt.
Laut der Schwangeren-Beratung „Pro Familia“ gibt es auch in Berlin zahlreiche Fälle, bei denen junge Frauen angeben, in Clubs oder bei Privattreffen mit K.o.-Tropfen betäubt und sexuell missbraucht worden zu sein. Nach Angaben des Erzbistums Berlin und der Caritas existiert keine Stellungnahme oder Vorschrift für katholische Kliniken, dass sie Vergewaltigungsopfer nur deshalb nicht behandeln dürfen, weil sich infolge der Gespräche auch der Wunsch nach Abtreibung entwickeln könne – ein Eingriff, den die katholische Kirche strikt ablehnt. „In einem Fall wie bei der Frau in Köln muss Nothilfe geleistet und Beweise müssen gesichert werden“, sagt Caritas-Sprecher Gleißner. „Die Ärzte hätten Spuren des Täters sichern und eine mögliche Aids-Infektion untersuchen müssen, so haben sie aber die Ermittlungsarbeit der Polizei verlangsamt“, kritisiert auch eine Mitarbeiterin der katholischen Schwangerenberatungsstellen „Donum Vitae“.
Laut Ärztekammer-Vertreter Handrock gibt es auch in Berlin immer wieder Fälle, in denen Frauen nach Vergewaltigungen durch Ehemann, Angehörige oder Bekannte gegen ihren Willen schwanger werden. Die Entscheidung, was sie dann tun, müsse allein bei den Frauen liegen, ist Handrock überzeugt. Nach dem Trauma wollen aber die „allermeisten Frauen einen Schwangerschaftsabbruch“. Einige Opfer, die Kirchen oder Glaubensgemeinschaften nahe stehen, tragen das Kind trotz der Vergewaltigung aus.
In der Partystadt Berlin wollen laut Pro Familia etwa auch Mädchen auf Klassenfahrt nach ungewolltem und ungeschütztem Sex „die Pille danach“ nehmen. Diese verschiebt den Eisprung und verhindert im Vorfeld eine Schwangerschaft. Es gebe zwei Präparate, „Pidana“, das bis bis 72 Stunden danach wirke und 17 Euro koste, und „Ella One“ (noch bis fünf Tage danach, 35 Euro). Diese gibt es nur gegen ein ärztliches Rezept in der Apotheke. Pro Familia fordert, die Pille müsse wie in fast der ganzen EU oder auch in den USA rezeptfrei sein – in Europa ist sie nur in Polen, Italien, Irland und Deutschland rezeptpflichtig. Die Gesundheitsverwaltung mit dem – katholischen – Senator Mario Czaja (CDU) an der Spitze wollte sich am Freitag nicht äußern. Annette Kögel
Annette Kögel
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