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Brandenburg: Kneipenwette um Hitler-Wachsfigur endet vor Gericht
Frank L. köpfte die Nachbildung des Diktators im Wachsfigurenkabinett / Nun beginnt in Berlin ein Prozess gegen den Altenpfleger
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Berlin - Eine lange Nacht lag hinter Frank L., als er auf die Eröffnung der Berliner Filiale des Wachsfigurenkabinetts von Madame Tussauds wartete. Erst die Debatten in seiner Stammkneipe, dann war er Unter den Linden auf- und abmarschiert. Er hatte keinen Plan, war aber fest entschlossen. „Ich wollte die Figur irgendwie zerstören“, sagte er später. Frank L. sorgte an jenem Julimorgen für Schlagzeilen. Er brachte die Wachsfigur von Adolf Hitler zu Boden, köpfte sie. Am Dienstag aber hat seine Aktion ein juristisches Nachspiel – vor dem Amtsgericht Tiergarten (9.45 Uhr, Saal 370).
Es geht um Sachbeschädigung und Körperverletzung. Einen Sachschaden von 6325 Euro soll der frühere Polizist Frank L. verursacht haben. Und zwei Wachleute hatten im Gerangel mit dem „Attentäter“ leichte Blessuren davongetragen. Die Justiz reagierte zunächst mit einem Strafbefehl gegen den Mann aus Kreuzberg, der bislang lediglich als Schwarzfahrer aufgefallen war. Eine Geldstrafe von 1800 Euro sollte er zahlen. Der 42-Jährige aber legte Einspruch ein und erzwang damit einen Prozess.
Frank L. war am 5. Juli vergangenen Jahres der zweite Besucher. Er zahlte Eintritt und schlenderte dann an Otto von Bismarck und Karl Marx vorbei. Zielstrebig ging er zum Schreibtisch, an dem die sitzende Adolf-Hitler-Nachbildung düster vor sich hin brütete. Mit einem Satz sprang Frank L. über den Schreibtisch, packte und zerstörte die Figur. Mit so etwas hatten die dort postierten Wachleute nicht gerechnet. L. wurde wenig später von Polizisten abgeführt, die Ausstellung für etwa 20 Minuten geschlossen und der kopflose Wachs-Hitler zurück ins Depot gebracht.
Dass der NS-Diktator die Eröffnung nicht überlebte, war aber keine gezielte politische Aktion. Es war vielmehr die Folge einer Wette in seiner Stammkneipe. Beim Kicken im „Schlawinchen“ in der Schönleinstraße hatten sich L. und seine Kumpels mächtig darüber aufgeregt, dass auch Hitler ausgestellt werden sollte. Man müsse etwas tun, fanden sie. „Wer traut sich?“ rief einer aus der Runde. L. meldete sich. „Du traust dich sowieso nicht“, höhnten die Freunde. Da zog er los, um seinen Mut zu beweisen.
Eigentlich sei er ein „relativ unpolitischer Mensch“, schätzte sich „Alt-Punk“ Frank L. später selbst ein. Er war erst Polizist geworden, doch der Job gefiel ihm nicht. Vor vier Jahren ließ er sich zum Altenpfleger umschulen und arbeitet seitdem in einem Pflegeheim. Nach seiner Aktion gab es erneut heftige Diskussionen um die Aufstellung der Hitler-Figur. Die Aussteller hielten daran fest. Zwei Monate später saß die 200 000 Euro teure Puppe wieder am Schreibtisch – allerdings hinter Glas. Frank L. hat stets zu seiner Tat gestanden. Nur Geld habe er keins. Er sei ein „armer Schlucker“. Kerstin Gehrke
Kerstin Gehrke
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