Brandenburg: Knoblichs Stimme geht
Vom Brauhausberg ins Forsthaus: Nach fast zwölf Jahren geht Brandenburgs Landtagssprecher Jürgen Itzfeldt in den frühen Ruhestand nach Bayern
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Vom Brauhausberg ins Forsthaus: Nach fast zwölf Jahren geht Brandenburgs Landtagssprecher Jürgen Itzfeldt in den frühen Ruhestand nach Bayern Von Ronald Bahlburg Potsdam - Fast zwölf Jahre lag ihm Potsdam zu Füßen, in wenigen Tagen steigt er für immer vom Brauhausberg hinab, um einem Jüngeren Platz zu machen: Jürgen Itzfeldt, seit 1993 Sprecher und Stimme des brandenburgischen Landtages. Durch das Fenster seines Büros fällt der Blick auf herbstbunte Bäume, die sich oberhalb der Landeshauptstadt an den Hang klammern. Sie wird der knapp 58-Jährige bald gegen bayerischen Wald eintauschen, wenn er ein ehemals gräfliches Forsthaus bei Ingolstadt bezieht. Der am 17. November 1946 in Kempten geborene Allgäuer kehrt damit in seine Heimat zurück. Bereits während des Politologie-Studiums baute Itzfeldt einen Medien-Informationsdienst auf, bis es ihn als stellvertretenden Sprecher des SPD-Vorstands in die „Baracke“ nach Bonn verschlug. Dort erlebte er die Wahlkämpfe Willy Brandts, gemeinsam mit dessen Mitarbeiter Günter Guillaume. Den Kanzler-Spion erinnert Itzfeldt als „wieseligen Typ“, der gern diskutierte. 1990 folgte Itzfeldt einem Angebot der Ost-SPD, beim Aufbau ihrer Pressearbeit zu helfen. Dann berief ihn der Hörfunkrat, ein Gremium des Runden Tisches der DDR, zum Direktor des Berliner Rundfunks, dessen Abwicklung er erfolgreich mit verhinderte. Um einen Interessenkonflikt zu vermeiden, verließ Itzfeldt seinerzeit die SPD. 1992 beauftragte der neu entstandene Ostdeutsche Rundfunk Brandenburg (ORB) den gelernten Journalisten mit der Koordinierung beim Neuaufbau des Jugendprogramms „Fritz“. Anschließend setzte sich Itzfeldt gegen mehr als 300 Bewerber um die Stelle des Landtagssprechers. Damals seien die Abgeordneten noch „an der Sache orientiert“ gewesen und hätten sich durch intelligentes Debattieren auch einmal in ihrer Meinung umstimmen lassen, schwärmt der scheidende Sprecher. „Da hat man wirklich das Gefühl gehabt, das sind Volksvertreter, die zum Wohl der Bevölkerung arbeiten.“ Heute säßen dagegen allzu häufig „Kommunalabgeordnete“ im Parlament, die statt des großen Ganzen mehr ihren „eigenen engen Beritt“ im Auge hätten. Stolze Bilanz der ersten Legislaturperiode: rund 200 Gesetze und die Verabschiedung der Landesverfassung. „Das war schon ein dolles Ding.“ Höhepunkt sei jedoch der Stolpe-Untersuchungsausschuss gewesen, in dem es um die Stasi-Vorwürfe gegen Brandenburgs Ministerpräsidenten ging, sagt Itzfeldt ohne Zögern. „Da war hier ja ständig Leben in der Bude.“ Als Tiefpunkt in seiner langen Amtszeit empfindet der Sprecher mit der markanten Bass-Stimme, dass es der Landtag bis heute nicht geschafft hat, für seine eigene angemessene Unterbringung zu sorgen. Stattdessen residiert er noch immer in der baufälligen, vormaligen Reichskriegsschule. Dabei habe das wegen seiner DDR-Vergangenheit im Volksmund auch „Kreml“ genannte Gebäude bereits zum Einzug des Parlaments 1991 als Provisorium gegolten. „Um die Entscheidung haben sie sich herumgedrückt“, wirft Itzfeldt den Volksvertretern vor. Ein letztes Highlight wird in der kommenden Woche die zweitägige Sitzung des neu gewählten Landtages mit der Regierungserklärung von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) sein. Dann ist für Itzfeldt Ende Oktober endgültig Schluss. Am meisten freut er sich darauf, im Ruhestand endlich morgens ausschlafen zu können, denn bisher begann der Arbeitstag um 05.30 Uhr, um rechtzeitig den Pressespiegel für den Landtagspräsidenten zusammenzustellen. Präsident Herbert Knoblich war bereits im Sommer nach 14 Amtsjahren abgetreten. Außerdem will der mit seiner Brille oft verschmitzt wirkende Itzfeldt künftig viel lesen und spazieren gehen. „Und dann hab'' ich noch einen großen Garten, in dem ich mich abarbeiten kann.“ Sein neues Domizil in Bayern nennt sich „Maushof“ - gerade richtig für den Tierliebhaber, der zu seinem Familienstand knapp bemerkt: „Ich bin ledig und mit einer Katze verheiratet.“
Ronald Bahlburg
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