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Von Andreas Conrad: Knuts Ziehvater ist tot
Zoo-Tierpfleger Andreas Dörflein wurde gestern tot in einer Wilmersdorfer Wohnung aufgefunden
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Berlin - Es kommt nur sehr selten vor, dass Berliner Bärenpfleger auf dem Titel des US-Magazins „Vanity Fair“ erscheinen, dazu fotografiert von Annie Leibowitz. Auch Thomas Dörflein hat es nur teilweise geschafft. Zwar musste er wieder mal mit seinem kleinen Knut im Arm posieren, dem das diesmal gar nicht gefiel und der das mit heftigen Bissen auch kundtat. Dazu trug Dörflein Kleidung von Leonardo DiCaprio, der dann von der Fotografin am Laptop ins Foto hineinmontiert wurde – bis auf Dörfleins rechten Arm. Der blieb auch auf dem Foto der originale.
An diesem Dienstag wird der Pfleger mit seinem Bären sicher wieder unzählige Male und komplett abgebildet werden, nicht nur in den deutschen Medien. Überraschend wurde gestern am frühen Abend bekannt, dass der 44-jährige Thomas Dörflein gegen Mittag in der Durlacher Straße in Wilmersdorf, in der Wohnung einer Bekannten, tot aufgefunden worden war. Über die näheren Umstände wurde noch nichts bekannt, es steht aber nach Angaben der Polizei fest, dass Dörflein weder einem Verbrechen zum Opfer gefallen ist noch sich das Leben genommen hat. Es soll im Frühsommer Hinweise auf eine Erkrankung gegeben haben, vielleicht nur eine Spekulation, wie sie in solchen Fällen leicht entstehen.
Den Menschen, die Thomas Dörflein im vergangenen Jahr mit seiner täglichen „Knut-Show“ im Zoologischen Garten begeistert hat, werden ohnehin weniger die traurigen Umstände seines Todes in Erinnerung behalten als die komischen Szenen mit seinem Eisbärenbaby, ihr Herumtollen, Spielen, die Zärtlichkeit zwischen den beiden. Am 5. Dezember 2006 war der winzige Eisbär mit einem zweiten Jungtier geboren worden, die Mutter nahm ihren Nachwuchs nicht an. Das zweite Baby starb bald, Knut wurde daraufhin der Mutter weggenommen und fortan von Andreas Dörflein aufgezogen.
Die ersten Monate teilte der Pfleger mit seinem wuscheligen Schützling den Käfig, schlief dort, säugte das Tierbaby mit der Flasche, spielte ihm sogar Elvis Presley auf der Gitarre vor – eine innige Beziehung zwischen Mensch und Tier, wie sie in dieser Intensität selten ist und an der dann auch, als Knut dafür groß genug war, die Zoobesucher teilnehmen konnten. Sie taten es mit beispielloser Begeisterung, Knut und sein Pfleger waren im Sommer 2007 das Berliner Traumpaar, lösten ein weltweites Medienecho aus und wurden zu einem grandiosens Kassen- und Imageerfolg für den Zoo.
Dem eher zurückhaltenden Andreas Dörflein, der am 1. Oktober 2007 für seine Verdienste um Knut den Verdienstorden des Landes Berlin erhielt, hatte diese Popularität nicht immer Vergnügen bereitet. „Es ist schon irre, was in den Gesichtern der Zuschauer vor sich geht“, sagte er im Gespräch mit dem Tagesspiegel. „Die haben oft so einen Ausdruck, als sei ihnen der Heiland erschienen. Hier auf meinem Schreibtisch liegen Liebesbriefe aus der ganzen Welt, da werden Lieder und Gedichte verfasst.“
Dörflein hatte aus einer früheren Beziehung zwei 17 und 21 Jahre alte Kinder und lebte mit seiner Freundin und ihrem kleinen Sohn zusammen. Sein überraschender Tod – am Sonntag hatte er noch gearbeitet – hatte in der Stadt Betroffenheit ausgelöst. Der Zoo habe einen schweren Verlust erlitten, Andreas Dörflein sei ein hervorragender Tierpfleger gewesen. „Das ist ein schlimmer Verlust für uns“, sagte Bernhard Blaszkiewitz, Direktor von Zoo und Tierpark, gegenüber ddp. Sein Mitgefühl gehöre all denen, die um Dörflein trauern, der „ein wahnsinniges Tiergefühl“ gehabt habe. „Der Berliner Zoo habe einen Sympathieträger verloren“, würdigte der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit den Toten, der „eine sympathische, engagierte Perönlichkeit gewesen sei. Auch Bundesumweltminister Gabriel, offiziell Pate von Knut, zeigte sich betroffen. Er habe ihn bewundert, „wie intensiv und ausdauernd es sich um Knut und die anderen ihm anvertrauten Tiere kümmerte.“
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