Brandenburg: Koalition der Unwilligen
Die Berliner SPD hat die Grünen zum Wunschpartner erklärt. 2011 scheiterte Rot-Grün aber an der A100. Diesmal könnte es anders laufen
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Berlin - Rot-Grün? Nicht mit der A100. Und schon war Rot-Grün vom Tisch. Nach nur einer Stunde platzen die Koalitionsverhandlungen 2011 am Widerstand der Grünen gegen die Verlängerung der Stadtautobahn. Inzwischen ist die sechsspurige Trasse zwischen Britzer Tunnel und Treptower Park längst im Bau und die Entscheidung über den nächsten Bauabschnitt rückt unweigerlich näher. Und was macht der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD)? Er wünscht sich öffentlich eine rot-grüne Koalition, also eine Neuauflage der Koalitionsverhandlungen von 2011. Wie soll das gehen? Hat einer der potenziellen Partner inzwischen seine Position zur A100 revidiert?
„Wir halten uns an die Dinge, die wir zusagen“, sagt der verkehrspolitische Sprecher der SPD, Ole Kreins. Im Übrigen gelte das Wahlprogramm. „Die im Bundesverkehrswegeplan verankerte Verlängerung der Stadtautobahn A100 ist für uns Teil eines Gesamtkonzepts zur Verkehrsentlastung der umliegenden und innerstädtischen Quartiere“, steht dort. Ein Zeitpunkt für den Baubeginn wird nicht genannt. Frühestens 2025, sagt Kreins. Vorher sei das Planfeststellungsverfahren gar nicht zu stemmen.
Auch die Grünen stehen zu den „klaren Aussagen“ in ihrem Wahlprogramm, sagt ihr A100-Experte Harald Moritz. Dort heißt es: „Eine autofixierte Stadt, die der Senat mit Projekten wie dem Weiterbau der A100 oder der Tangentialverbindung Ost vorantreibt, lehnen wir ab.“ Etwas klarer formuliert: „Wir wollen den 17. Bauabschnitt nicht haben. Wenn der Koalitionspartner ein Partner ist, dann sollte er entsprechend Rücksicht nehmen“, sagt Moritz. Der Ex-Regierende Klaus Wowereit nahm 2011 keine Rücksicht. Die SPD-Führung hatte die Zustimmung zum Weiterbau der A100 der eigenen Basis abgerungen. Große Teile der SPD sind weiterhin gegen eine Fortführung der Autobahn bis zur Frankfurter Allee. Das Thema wurde in den vergangenen Jahren parteiintern weitgehend ausgeblendet.
Ole Kreins hat eine Idee, wie der SPD das Thema erspart bleibt: Ein Referendum. Bislang ist es in Berlin – anders als in Hamburg – nicht möglich, einen „Volksentscheid von oben“ zu organisieren, dazu müsste die Verfassung geändert werden. Oder man macht es als „konsultative Bürgerbefragung“ wie in Bayern, dazu reicht ein Gesetz. SPD-Fraktionschef Raed Saleh hat damit bereits geliebäugelt.
Die Grünen sehen solche Referenden kritisch. Harald Moritz hält mehr davon, den Bürgern reinen Wein einzuschenken über die A100 durch Friedrichshain. Die Folgen wären seiner Ansicht nach weit gravierender als beim 16. Bauabschnitt durch Neukölln und Treptow. „Alle Fakten und Zahlen müssen auf den Tisch.“
Wenn es für Rot-Grün nicht reicht, bliebe Rot-Rot-Grün, das wäre dann höchstwahrscheinlich das Aus für den Autobahnbau. Wie die Grünen lehnt die Linke das Vorhaben ab. „Die SPD hat nur Koalitionspartner, mit denen sie die A100 nicht bauen kann“, sagt Linken-Verkehrsexperte Harald Wolf.
Oder sie versucht es doch noch mal mit der CDU, auf die Müller eigentlich keine Lust mehr hat. Der CDU-Verkehrsexperte Oliver Friederici erklärte am Mittwoch, alle Planungen zur Verdichtung der Innenstadt etwa am Molkenmarkt beruhten auf der Annahme, die A100 werde weiter ausgebaut. Wenn der Straßenzug Leipziger Straße/Mühlendamm/Grunerstraße zurückgebaut werde, käme es ohne die Autobahn zum Dauerstau. Man habe die SPD in den vergangen Jahren vergeblich gedrängt, mit der konkreten Planung zu beginnen. „Der Bau sollte in der nächsten Legislaturperiode beginnen“, sagt Friederici. Also spätestens 2021, direkt im Anschluss an die Fertigstellung des 16. Bauabschnitts.
Der Bund hat sich klar zum weiteren Ausbau der A100 bekannt. Ohne Zustimmung Berlins würde das Projekt aber auf die lange Bank geschoben. Thomas Loy
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