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Brandenburg: Kommt eine Lex Hübner?

Landtagsfraktionen wollen Anpassung des Kommunalwahlrechts prüfen. CDU warnt vor Schnellschüssen

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Berlin/Potsdam - Nach der Wiederwahl des wegen Korruption vorbestraften Gubener Bürgermeisters Klaus-Dieter Hübner (FDP) prüfen die Landtagsfraktionen, wie das geltende Kommunalwahlrecht angepasst und Regelungslücken gestopft werden können. „Brandenburg braucht im Falle einer Vorstrafe eine klare Regelung“, sagte der Grünen-Fraktionsvorsitzende Axel Vogel der „Berliner Morgenpost“. „Es muss ausgeschlossen werden, dass jemand zur Wahl zugelassen wird, der später sein Amt nicht antreten kann.“ Auch Sprecher der anderen Fraktionen sprachen sich für eine Überprüfung des Gesetzes aus.

Wie berichtet haben lediglich Sachsen und Baden-Württemberg entsprechende Regelungen in ihren Gesetzen, die verhindert hätten, dass Hübner überhaupt zur Wahl antreten darf. Nach der sächsischen und baden-württembergischen Gemeindeordnung ist nicht wählbar, „wer aus dem Beamtenverhältnis entfernt“ oder „wem das Ruhegehalt aberkannt“ worden ist. Oder jemand ist für fünf Jahre nicht wählbar, wenn er zu „einer Freiheitsstrafe verurteilt worden ist, die bei einem Beamten den Verlust der Beamtenrechte zur Folge hätte“. Auf Hübner träfe das alles zu – nur eben in Brandenburg nicht.

Im hiesigen Kommunalwahlgesetz heißt es, nicht wählbar zum hauptamtlichen Bürgermeister ist, wer von einem Gericht im Disziplinarverfahren zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder zur Aberkennung des Ruhegehaltes rechtskräftig verurteilt worden ist. Nun ist er nicht in einem Disziplinarverfahren entfernt worden, sondern qua Urteil in einem Strafverfahren, nämlich durch die Höhe der Strafe von mehr als einem Jahr. Nach dem Beamtenrecht darf er kein Wahlbeamter mehr sein, keine hoheitlichen Aufgaben mehr erfüllen.

Selbst der Wahlausschuss der Stadt Guben war deshalb davon ausgegangen, dass hier das Beamtenrecht und das Kommunalwahlrecht auseinanderfallen – also sich nicht entsprechen. Beamter durfte Hübner also nicht sein durch das Urteil, wählbar aber schon, weil er nicht in einem Disziplinarverfahren aus dem Amt entfernt wurde. Dem Wortlaut nach mag das stimmen. Doch selbst Juristen halten das für strittig. Im Recht gibt es den sogenannten Erst-recht-Schluss. Wenn Hübner schon durch das mildere Mittel des Disziplinarverfahrens kein Beamter sein dürfe, dann erst recht nicht durch das schärfere Mittel des Strafurteils als Ultima Ratio.

Hübner war 2015 in einem Korruptionsprozess zu anderthalb Jahren Haft verurteilt worden, die zur Bewährung ausgesetzt wurden. Anfang 2016 wurde das Urteil wegen Bestechlichkeit, Vorteilsannahme, Untreue und Beihilfe zur Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung rechtskräftig. Damit wurde Hübner als Wahlbeamter sofort aus dem Beamtenverhältnis entfernt. Das Landgericht Cottbus hatte es als erwiesen angesehen, dass Hübner in seiner früheren Amtszeit eine Gartenbaufirma mit städtischen Aufträgen begünstigte. Im Gegenzug pflegte der Betrieb kostenlos sein Grundstück und mähte den Rasen.

Hübner trat nun erneut zur Wahl als Bürgermeister an und setzte sich am 17. Juli in der Stichwahl mit 57,8 Prozent der Stimmen gegen die von einem breiten Parteienbündnis unterstützte Kerstin Nedoma (Linke) durch. Dann suspendierte die Stadtverordnetenversammlung den 64-Jährigen per Beschluss. Der Landkreis Spree-Neiße will ihn nach einem Disziplinarverfahren des Dienstes entheben – wegen des Beamtenrechts.

Vor Schnellschüssen bei der Reform des Kommunalwahlrechts warnte CDU-Oppositionsführer Ingo Senftleben. „Wir müssen sehen, ob es das wert ist, wegen eines Einzelfalls in Guben gleich ein ganzes Gesetz zu ändern“, sagte Senftleben. „Wie oft kommt es denn vor, dass ein vorbestrafter Kandidat antritt und dann auch noch gewählt wird?“ Wenn das Gesetz einmal angefasst würde, könnten weitere Forderungen kommen, warnte der Oppositionsführer. Es gebe seit Längerem Bestrebungen der SPD, die Direktwahl der Landräte durch die Bürger wieder abzuschaffen, weil in vielen Fällen nicht die notwendige Wahlbeteiligung erreicht wurde. Hinzu komme die rot-rote Kreisreform. „Da ist auch noch nicht klar, was mit den gewählten Landräten passiert“, sagte Senftleben. Auch das Innenministerium hält sich vorerst zurück. Dort sind mit der Kreisreform ohnehin die Kräfte gebunden. Es handele sich um eine vermutlich in Deutschland einmalige Situation, die viel mit der Person Hübner zu tun habe, aber „nicht ursächlich der Gesetzeslage geschuldet“ sei. Alexander Fröhlich (mit dpa)

Alexander Fröhlich (mit dpa)

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