Brandenburg: Kommunalaufsicht im Land zu lax
Grüne fordern 480-Millionen-Programm, um Cottbus und andere Städte aus Schuldenfalle zu holen. Wenig Sparbereitschaft vor Ort
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Potsdam - Brandenburgs Grüne fordern ein Entschuldungsprogramm für die fünf am höchsten verschuldeten Städte im Land. Denn Cottbus, Brandenburg/Havel, Eisenhüttenstadt, Forst und Frankfurt (Oder) haben keine Chance mehr, selbst aus der Kreditfalle zu kommen. Das geht aus einem von der Grüne-Landtagsfraktion in Auftrag gegebenen Gutachten der Fernuniversität Hagen hervor, das am Donnerstag vorgestellt wurde. Es stellt der Kommunalaufsicht im Land ein miserables Zeugnis aus. Diese sei im Vergleich zu anderen Bundesländern, etwa zu Sachsen, lax, müsse rigider werden, sagte Gutachter Prof. Lars Holtkamp.
Es bestehe die Gefahr, dass die Finanzierung von Gemeindeaufgaben über Kassenkredite – eine Art Dispo – zu einem flächendeckenden Problem werde. Für eine Entschuldung der fünf Städte wären laut Gutachten 480 Millionen Euro Landesmittel nötig, wobei die Kommunen einen Eigenanteil leisten müssten. Schulden-Spitzenreiter ist Cottbus mit 2236 Euro pro Einwohner, gefolgt von Brandenburg/Havel (2103 Euro), Eisenhüttenstadt (2102 Euro) Forst (1647 Euro) und Frankfurt (Oder) (1549 Euro), andere Städte im Land folgen erst mit Abstand. „Diese fünf Städte können die Kredite aus eigener Kraft nicht mehr tilgen“, sagte Holtkamp. Zwar stünden Brandenburgs Kommunen mit 331Euro Schulden je Einwohner im Bundesvergleich insgesamt gut da, weit unter dem Schnitt. Doch bei den fünf Spitzenreitern sei der Handlungsbedarf akut. „Die Kommunalaufsicht hat klar versagt“, sagte Grünen-Fraktionschef Axel Vogel. „Wenn die Zinsen wieder anziehen, wird dieses Finanzierungssystem zusammenbrechen.“ In einem Antrag für die nächste Landtagssitzung – die letzte in der Legislaturperiode – fordern die Grünen daher einen Entschuldungsfonds, eine Verschärfung der Aufsicht und ein Frühwarnsystem, das wie in Sachsen rechtzeitig auf Kommunen in der Negativspirale hinweist. Anders als dort werde in Brandenburg seit 2006 keine Statistik zu den Ein- und Ausgaben der Kommunen mehr geführt und veröffentlicht. „Die brandenburgische Kommunalaufsicht ist im Vergleich zu Sachsen intransparent“, sagte Holtkamp.
Zugleich fehlt es den Not-Kommunen, insbesondere der Stadt Cottbus, regiert vom früheren Minister und SPD-Oberbürgermeister Frank Szymanski, an Problembewusstsein und Sparwillen, so der Befund. „Die besonders stark verschuldeten Kommunen richten sich im Nothaushaltsrecht ein.“ Die Kommunalaufsicht mache es ihnen zu leicht, sagte Ursula Nonnemacher, die Innenexpertin der Grünen: „Vogel-Strauss-Politik bringt niemanden weiter!“ Bei seinen Untersuchungen hat Holtkamp viertausend Gemeindevertreter in vier Bundesländern befragt. Danach ist in Brandenburg das Problembewusstsein für Sparzwänge besonders gering. Der Anteil der „Konsolidierungsverweigerer“, die weder Abgaben erhöhen, noch den Rotstift ansetzen wollen, sei hier mit 42 Prozent bundesweit am höchsten. Das habe auch politische Gründe, Zitat: „Die starke Rolle der Linken macht es zudem schwer, Konsolidierungskoalitionen für Ausgaben- und Personalreduzierung zu schmieden.“ Als strukturelles Hemmnis erweise sich, dass häufig ein „nicht konsolidierungsbereiter Bürgermeister“ auf eine stärker parteipolitisierte Kommunalvertretung treffe, was zu Blockaden führe. Als Beleg wird Cottbus, anonymisiert, aber identifizierbar, angeführt. Oberbürgermeister Frank Szymanski sei „wenig konsolidierungsorientiert“, im Stadtparlament die Bereitschaft zu sparen gering, heißt es. „In der Kommunalpolitik ist ein ausgeprägtes Anspruchsdenken verwurzelt“. Die Politik ziele „auf Konservierung unter Bedingungen des Nothaushaltes und nicht auf Konsolidierung“. Das Fazit: Weil die Stadt kaum etwas tue, steige „die Kassenkreditverschuldung seit Jahren fast ungebremst an“, von der Kommunalaufsicht des Landes geduldet.
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