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Brandenburg: Kopfgeld für Brustkrebspatientinnen

Brandenburgische Chefärzte werfen Krankenkassen Gefährdung der wohnortnahen Behandlung vor

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Potsdam - Die wohnortnahe Versorgung von Brustkrebspatientinnen in Brandenburg ist in Gefahr. Wie 14 Chefärzte von Frauenkliniken des Landes am Wochenende in Potsdam betonten, stehe das erst vor zwei Jahren aufgebauten Netz der so genannten Brustzentren vor dem Aus. Als Grund nannten sied sie einen „geheimen und mafiösen“ Vorstoß der Krankenkassen im Land, Brustkrebsbehandlungen nur auf vier große Krankenhäuser in Potsdam, Cottbus, Bad Saarow und Neuruppin zu beschränken. Ärzte und Patientenverbände kritisierten das Vorgehen der Krankenkassen am Wochenende als „ethisch und sozial nicht vertretbar“. In Brandenburg erkranken jährlich 1500 Frauen am Mammakarzinom, 500 erliegen jedes Jahr der Krankheit.

Bislang gebe es zwar keine Anweisung der Kassen, dass die Frauenkliniken aus Kostengründen schließen sollen und die Brustkrebsbehandlung zentralisiert wird. Doch bieten die Kassen allen Frauenärzten eine „Kopfpauschale“ von 50 Euro pro Patientin an, wenn diese an eines der vier Krankenhäuser in Potsdam, Cottbus, Neuruppin und Bad Saarow überwiesen wird. In einer Erklärung von Chefärzten Brandenburger Frauenkliniken heißt es, der Krankenkassenverband erwecke den Eindruck, es gebe nur vier Krankenhäuser im Land, die die notwendige Kompetenz für Diagnostik und Behandlung von Brustkrebs hätten. Die Auswahl der Krankenhäuser sei jedoch nicht nach Kompetenz, sondern aus geografischen Gesichtspunkten gewählt worden, werfen die Ärzte den Krankenkassen vor. „Diese Leistungskonzentration wird mittelfristig zu Standortschließungen und somit zu Einsparungen für die Krankenkassen führen“, sagte Andreas Kohls, Chefarzt der Gynäkologie am Potsdamer St. Josefs Krankenhaus. Dabei galten die Brustzentren wie das Regine-Hildebrandt-Zentrum Potsdam-Belzig-Nauen, bei dem drei Kliniken kooperieren, als Lösung, um eine qualitativ hochwertige Mammakarzinom-Behandlung in allen Regionen des Landes zu gewährleisten.

In einer „Initiative für Qualität und wohnortnaher Angebote in der Brustkrebsversorgung“ appellierte Kohls gemeinsam mit Dr. Peter Könnecke (Chefarzt Havellandkliniken Nauen), Dr. Rüdiger Müller (Chefarzt Achenbach-Krankenhaus Königs Wusterhausen) und Dr. Peter Ledwon (Chefarzt Kreiskrankenhaus Belzig) an die niedergelassenen Ärzte, auf die Pauschale zu verzichten und somit zur Rettung der flächendeckenden, wohnortnahen Versorgung beizutragen. Ein Arzt erhalte pro Vorsorgeuntersuchung 25 Euro von der Krankenkasse, für die Unterschrift auf die Überweisung in eines der vier Krankenhäuser bekäme er das doppelte.

Niedergelassen Gynäkologen wie Karolin Fahlke aus Potsdam und Frank Hegenscheid aus Eichwalde wollen sich dem Druck der Kassen nicht beugen. Auch der Vorsitzende des Berufsverbandes der Frauenärzte Brandenburg, Dr. Thomas Döbler, rief seine Kollegen dazu auf, die Patientinnen wie bisher nach besten Wissen und Gewissen zu überweisen.

Einer Diskussion zu diesem Thema am Sonnabend in Potsdam bleiben trotz Einladung weder Vertreter der Kassen noch der vier bevorzugten Krankenhäuser.

Die Krankenkassen begründen ihre „Kopfpauschale“ in einem Brief an die Ärzte mit der Sicherstellung von Qualität in der Behandlung. Kohls hält dagegen, das Josefs-Krankenhaus sei erst vor einer Woche als anerkanntes Brustkrebszentrum zertifiziert und nun nicht berücksichtigt worden. Andere Qualitätsmaßstäbe als diese Zertifikate gebe es bislang aber nicht, da die von Krankenhäusern erhobenen Statistiken noch nicht ausgewertet worden sind.

Für die Chefärzte Könnecke und Kohls ist besonders pikant, dass das Klinikum Ernst von Bergmann Potsdam, die Havelland Klinik Nauen und das Kreiskrankenhaus Belzig bislang gemeinsam das „Brustzentrum Regine Hildebrandt“ bilden. Nun habe das Potsdamer Klinikum ohne Wissen der anderen beiden Häuser aber einen Vertrag zur „Integrierten Versorgung“ von Brustkrebspatienten mit den Krankenkassen geschlossen.

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