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Brandenburg: Korruption: Sonderermittler an ihren Grenzen Die Neuruppiner Staatsanwaltschaft gilt international als beispielhaft – und ist überlastet

Neuruppin - Sie sind hochgelobt, deutschlandweit ein Vorzeigemodell und beraten im Ausland Staaten und Behörden beim Aufbau von Anti-Korruptionseinheiten: die Ermittler der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte im Land Brandenburg mit Sitz in Neuruppin. Doch nun sind die Neuruppiner Ermittler schon bei der eigentlichen Inlandsarbeit an ihre Grenzen gestoßen: In den Räumen der Behörde stapeln sich beschlagnahmte Akten und Unterlagen, die ausgewertet werden müssen.

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Neuruppin - Sie sind hochgelobt, deutschlandweit ein Vorzeigemodell und beraten im Ausland Staaten und Behörden beim Aufbau von Anti-Korruptionseinheiten: die Ermittler der Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Korruptionsdelikte im Land Brandenburg mit Sitz in Neuruppin. Doch nun sind die Neuruppiner Ermittler schon bei der eigentlichen Inlandsarbeit an ihre Grenzen gestoßen: In den Räumen der Behörde stapeln sich beschlagnahmte Akten und Unterlagen, die ausgewertet werden müssen. Allein ein Staatsanwalt hat bis zu 60 Verfahren gleichzeitig zu bearbeiten. Und es werden immer mehr, die Zahl hat sich seit 2001 von 150 auf 300 verdoppelt.

Daher wird die Behörde nun ihre Auslandseinsätze und das Beraten von anderen Behörden nicht mehr wie bisher weiterführen. „Das werden wir uns nicht mehr leisten können“, sagte der Leitende Oberstaatsanwalt Gerd Schnittcher den PNN. Schnittcher räumt ein: Die kleine Schwerpunktabteilung hat Probleme, ihre eigentliche Arbeit überhaupt noch zu schaffen.

Die Fälle sind meist spektakulär – es geht um korrupte Politiker, Beamte und Unternehmer und das weit verbreitete „Eine Hand wäscht die andere“. Zuständig dafür sind im Land Brandenburg allein die Neuruppiner Staatsanwälte. Im Jahr 2001 wurde ihre Schwerpunktstaatsanwaltschaft als eine der ersten ihrer Art deutschlandweit gegründet und hat seither regelmäßig für Schlagzeilen sorgt.

Für das Bundesjustizministerium und die Europäische Union beraten die Neuruppiner Behörden in China, Serbien, Rumänien, Russland, Türkei, im Nahen Osten, Lettland und vielen anderen Ländern beim Aufbau eigener Strukturen im Kampf gegen Korruption. Brandenburg leistet Aufbauhilfe – noch.

Dabei ist das Lob für die fünf Staatsanwälte und ihren Chef, Oberstaatsanwalt Frank Winter, groß. Brandenburgs Justizminister Volkmar Schöneburg (Linke) sagt, die Abteilung arbeite auf hohem Niveau und genieße auch im Ausland „große Wertschätzung“. Bei der Stiftung für Internationale Rechtliche Zusammenarbeit (IRZ), die für das Bundesjustizministerium die Aufbauhilfe im Ausland koordiniert, heißt es, die Neuruppiner Korruptionsbekämpfer seien „sehr attraktive und wertvolle Partner“. Die Staatsanwaltschaft sei bekannt für „ihre gute Arbeit in diesem Bereich“.

Daher werden die Ermittler aus Neuruppin immer wieder gebucht – für Vorträge, Seminare und als Helfer beim Aufbau von Justizapparaten im Ausland. Zuletzt sind sie von den serbischen Behörden, die sich fit für Europäische Union machen wollen, sogar zur „Abnahme“ der reformierten Strukturen, die dort ab 2012 greifen, eingeladen worden. Immer wieder besuchen hochrangige Delegationen die kleine Behörde im Nordwesten Brandenburgs.

Deren Ermittlerteam prüft selbst kleinste Vorwürfe. „Wir bekommen immer mehr Briefe von Bürgern, für die wir die letzte Hoffnung sind“, sagt Winter. Etwa 20 Prozent der Verfahren enden tatsächlich mit einer Anklage, Strafbefehlen, einer Einstellung gegen Geldbuße oder Unternehmensgeldbußen. Zwar ist 2005 eine gemeinsame Ermittlungskommission mit dem Landeskriminalamt (LKA) gegründet worden, in der elf Polizisten ihren Dienst tun. Es blieb aber bei sechs Staatsanwälten, insgesamt sei die gesamte Abteilung sogar geschrumpft. Die Stelle eines Bausachverständigen wurde gestrichen. Nun muss stets ein externer Sachverständiger gefunden werden, der sich erst einarbeiten muss. Viele Verfahren ziehen sich über Jahre hin.

„Korruptionsermittlungen gehören zu den schwierigsten und langwierigsten, die es gibt“, sagt Winter. „Es gibt nicht wie bei einer Körperverletzung ein Opfer und ein Täter, bei einer Bestechung sind immer zwei Seiten beteiligt. Der eine will den anderen nicht belasten. Korruption ist auf Verschleierung angelegt.“ Geschädigt werde dabei der Staat. Geständnisse sind selten. Bei den Beamten geht es um die Karriere, um die Existenz. Denn das Mindeststrafmaß für bestechliche Amtsträger und Staatsdiener liegt bei sechs Monaten – dadurch verlieren sie ihren Status als Beamte. Winter nennt die Ermittlungen „Fitzelarbeit“.

Neben Korruption sind die Neuruppiner Ermittler auch zuständig für unlauteren Wettbewerb. Oberstaatsanwalt Winter prüft auch jedes Jahr den Bericht des Landesrechnungshofes (LRH) auf Hinweise auf Straftaten. Und die Staatsanwaltschaft berät Mitarbeiter in Ministerien, Verwaltungen und Industrie- und Handelskammern und sensibilisiert sie für die kleinsten Anzeichen von Korruption.

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