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Von Thorsten Metzner: Kranich hat sich ans Windrad gewöhnt

Naturschutzverbände wollen leichtere Genehmigungen für Windparks – und brechen mit Tabus

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Potsdam - Brandenburgs Naturschutzverbände sind für eine konzentrierte „Verspargelung“ der Mark, um neue Windparks in noch unberührter Landschaft zu vermeiden. Und sie zeigen sich sogar offen, Windräder nahe von Kranich-Brutplätzen zu genehmigen. Diese flexiblere Linie gaben der Naturschutzbund (NABU) und der BUND am Montag in Potsdam bekannt, um einen forcierten Bau moderner Windmühlen zu erleichtern. Hintergrund ist die sich verschärfende Auseinandersetzung um die künftige Energieversorgung im Land Brandenburg. Die Naturschutzverbände wollen so den sonst kaum erreichbaren massiven Ausbau erneuerbarer Energien unterstützen, als Voraussetzung eines für sie vorrangigen Ausstiegs aus der klima- und landschaftszerstörerischen Braunkohle. Dieser Ansatz deckt sich mit jüngsten Bestrebungen der Linken in der rot-roten Koalition. Offiziell setzt diese allerdings weiter neben erneuerbaren Energien die Förderung und Verstromung der Braunkohle, nicht als deren Ersatz.

Schon jetzt sorgen Windparks vielerorts im Land für Stürme der Entrüstung, was die Offenheit der Naturschutzverbände heikel macht. Eine Volksinitiative hat bereits über 27 000 Protest-Unterschriften gesammelt. Und das meistens in den Gebieten, in denen aus Sicht der Naturschützer nun noch mehr Windräder hin sollen. Und dennoch sei es besser, sagte Nabu-Landeschef Tom Kirschey, in bereits mit Windparks belasteten Regionen wie bei Nauen im Havelland oder bei Prenzlau in der Uckermark neue Anlagen zu bauen, als sie anderswo in unverbrauchte Landschaft zu stellen.

Dafür verabschieden sich die Umweltverbände von Tabus: Kirschey sprach sich dafür aus, die Genehmigungsverfahren zu erleichtern. So könne der bisherige 5-Kilometer-Mindestabstand zwischen Windparks aufgehoben werden, da dieser weder energetisch noch aus Umweltschutzsicht sinnvoll sei. Das gleiche gelte für den Abstand zu Bundesautobahnen und zu Gewerbegebieten. Und die so genannten „tierökologischen Abstandskriterien“, eine für jede seltene Art genau definierte strenge Tabu-Radiuszone um Brutplätze, eine brandenburgische Erfindung, können aus Sicht der Verbände gelockert werden - zumindest für ausgewählte Tiere. So habe sich gezeigt, dass der sich rasant vermehrende Kranich keine Probleme mit den riesigen Rotoren hat, die bisher in einem Umkreis von 1000 Metern zum Brutplatz streng verboten sind. „Die Tiere sind lernfähig. Sie haben sich angepasst“, sagte Kirschey. Ähnlich sei es beim Baumfalken oder der Sumpfohreule. Er betonte ausdrücklich, dass dies nicht für alle Arten gelte. Bei extrem von Aussterben bedrohten sensiblen Arten wie dem Schreiadler oder der Großtrappe – die nur noch in Brandenburg zu finden ist – müssten die bisherigen Regeln weiter gelten oder diese sogar verschärft werden. Und absolute „Tabuzonen“ für Windanlagen sollen auch künftig alle nach Naturschutzrecht geschützte Gebiete sein, was in Brandenburg nicht wenige Flächen betrifft: Rund sieben Prozent der Landesfläche sind Naturschutzgebiete, 34 Prozent Landschaftsschutzgebiete. Auch Windparks in Wäldern und Forsten – 37 Prozent des Landes – lehnen Nabu und BUND ab.

Der Vorstoß ist kein Zufall. Linke-Wirtschaftsminister Ralf Christoffers will in Kürze eine Fortschreibung der bisherigen, noch aus Zeit der Großen Koalition stammenden „Energiestrategie 2020“ vorliegen, wonach der Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 von derzeit 16 Prozent auf mindestens 20 Prozent des Primärenergieverbrauchs ansteigen soll. Konflikte sind programmiert, da es um begehrtes Land geht. Ob für Wind- oder Solarparks, Energiepflanzen – überall wird Fläche benötigt, oft bisher von der Landwirtschaft genutzt. Die Dimensionen haben es in sich: 2004 produzierten die 2500 Windräder im Land Brandenburg 11 Petajoule – 54 Petajoule sollen 2020 aus Windkraft erzeugt werden. Noch mehr ist aus Sicht der Naturschatzverbände auch nicht drin. Sie sehen aber im Vergleich zur bisherigen Energiestrategie noch Reserven bei der Nutzung der Geothermie, der der Biomasse, einem viel geringeren Energieverbrauch im Land und auch für den Einsatz von mehr Photovoltaik. BUND-Geschäftsführer Axel Kruschat: „Fährt man durch Bayern oder Baden-Württemberg, sieht man viel mehr Solardächer.“

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