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Brandenburg: Kriegsgefangene in der Mark

Erstmals umfassende Ausstellung über das Internierungslager Fürstenberg

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Erstmals umfassende Ausstellung über das Internierungslager Fürstenberg Von Jörg Schreiber Eisenhüttenstadt. Erstaunlich gut erhaltene Zahnbürsten, Kämme, Knöpfe und zu Kochgeschirren umgebaute Trinkflaschen liegen auf einem Ausstellungstisch. Die Exponate waren erst vor zwei Jahren bei Ausgrabungen im Eisenhüttenstädter Ortsteil Fürstenberg neben der EKO Stahl GmbH gefunden worden. Sie stammen von Soldaten aus aller Herren Länder. In Fürstenberg befand sich - neben Luckenwalde und Küstrin (heute Kostrzyn) - eines von drei zentralen Kriegsgefangenenlagern der Wehrmacht in der Provinz Brandenburg. Eine Ausstellung im Städtischen Museum Eisenhüttenstadt wird ab Sonntag erstmals umfassend die Geschichte des so genannten Stammlagers „Stalag III B“ beleuchten, das die Wehrmacht 1939 von polnischen Kriegsgefangenen errichten ließ. Für die Schau seien tausend Objekte zusammengetragen worden, sagt Projektleiter Axel Drieschner am Mittwoch. Dank der jüngsten archäologischen Funde gebe es nicht nur Tafeln mit Informationen, sondern eine echte museale Ausstellung zu sehen. Zahlreiche erstmals gezeigte Originalstücke sollen das Leben der bis 1945 dort insgesamt internierten rund 100 000 Soldaten aus neun europäischen Ländern und den USA veranschaulichen, sagt der Kunsthistoriker. Dazu zählen neben den ausgegrabenen Alltagsgegenständen auch Briefe und ein Original-Tagebuch früherer Gefangener, kunstgewerbliche Gegenstände, die die Insassen im Tausch für Lebensmittel hergestellt hatten, sowie Uniformen. Ergänzt werde das Ganze durch hundert Fotos, die heimlich von einem US-Gefangenen aufgenommen worden waren oder aus den Archiven des Internationalen Roten Kreuzes in Genf stammen. Besonderes Augenmerk lege die Ausstellung dabei auf die sehr unterschiedliche Behandlung der nach Nationen getrennt untergebrachten Gefangenen, sagt Drieschner. Hier habe es gemäß der NS-Rassenideologie „gravierende Unterschiede“ gegeben. Während die Soldaten aus den USA und anderen westlichen Ländern weitgehend nach den Regeln der Genfer Konvention behandelt wurden und durch Hilfspakete aus der Heimat recht gut versorgt waren, sei das insgesamt 800 mal 500 Meter große „Stalag“ für die sowjetischen Gefangenen „nahezu ein Todeslager“ gewesen. Sie hätten nur Wassersuppe und Ersatzbrot erhalten und dafür die härteste Arbeit in Bergbau und Industrie verrichten müssen, sagt Drieschner. Mehr als 4000 Rotarmisten starben den Dokumenten zufolge an Unterernährung, Entkräftung und Krankheiten. Überdies habe ein Einsatzkommando der Gestapo dafür gesorgt, dass unter den sowjetischen Kriegsgefangenen Juden und politische Gegner in Vernichtungslager überstellt und dort ermordet wurden. Für die meisten Gefangenen sei das Lager mit seinen 40 Baracken allerdings nur eine Zwischenstation gewesen, berichtet Drieschner. Nach ihrer ärztlichen und polizeilichen Überprüfung seien sie einem der mehr als 500 Arbeitskommandos in Brandenburg zugeteilt worden. Vor allem sowjetische Gefangene seien direkt in Fürstenberg eingesetzt worden, das zu einem Rüstungsstandort umgebaut werden sollte. Es sei mehr als überfällig gewesen, dieses dunkle Kapitel der Stadtgeschichte zu beleuchten, sagt auch Eisenhüttenstadts Stadtmanager Wolfgang Perske. Zu DDR-Zeiten war das Lager weitgehend in Vergessenheit geraten. Beim Bau des Eisenhüttenwerks in den 50er Jahren waren die Gebeine sowjetischer Gefangener aus den Massengräbern geborgen und anderswo beigesetzt worden. Erinnert wurde nur an den deutschen Sanitäter Alfred Jung, der Rotarmisten im Lager half und 1944 von den Nazis hingerichtet wurde. Die Ausstellung ist bis 14. März täglich außer montags von 10 bis 16 Uhr (am Wochenende ab 13 Uhr) im Städtischen Museum nahe des Fürstenberger Marktplatzes zu sehen. Weiteres im Internet unter: www.museum-eisenhuettenstadt.de

Jörg Schreiber

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