Brandenburg: Kühler Kopf
Kerstin Kaiser-Nicht musste einst wegen ihrer IM-Tätigkeit für das MfS ihr Bundestagsmandat abgeben Nun soll sie Nachfolgerin von Dagmar Enkelmann als Fraktionschefin der Linkspartei.PDS im Landtag werden
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Kerstin Kaiser-Nicht musste einst wegen ihrer IM-Tätigkeit für das MfS ihr Bundestagsmandat abgeben Nun soll sie Nachfolgerin von Dagmar Enkelmann als Fraktionschefin der Linkspartei.PDS im Landtag werden Von Michael Mara Potsdam - Von einem „Sündenfall" will Kerstin Kaiser nichts wissen. Sie habe in ihrer Jugend auf Grund ihrer damaligen Einstellungen für die Stasi gearbeitet. Inzwischen sei sie 20 Jahre älter und sehe das anders. Gerade ist die 45-Jährige von der in den Bundestag wechselnden Fraktionsvorsitzenden Dagmar Enkelmann als Nachfolgerin der Linkspartei.PDS im Landtag vorgeschlagen worden. Und prompt wird sie von Journalisten gefragt, ob sie eine Neuauflage der alten IM-Debatte befürchte. „Damit haben wir uns Anfang der neunziger Jahre intensiv auseinander gesetzt“, so Kaiser. Aber wenn junge Leute aus der Fraktion dazu Fragen hätten, werde sie diese beantworten. Immerhin musste Kaiser, die damals noch Kaiser-Nicht hieß, 1994 ihr Bundestagsmandat wegen ihrer Stasi-Vergangenheit unter dem Druck der eigenen Fraktion niederlegen. Der Fall sorgte bundesweit für Schlagzeilen. Als Slawistik-Studentin in Leningrad hat Kaiser vier Jahre lang Kommilitonen bei der Stasi angeschwärzt. Weil sie „Westkontakte“ besaßen, „keinen gefestigten Standpunkt“ hatten, sich „nachlässig kleideten“ und Nickis „auf bloßer Haut trugen. Aber der Fehler, von dem sich Kaiser frühzeitig distanzierte, ist nicht der Grund, weshalb sie in der PDS als neue Fraktionsvorsitzende nicht unumstritten ist: Anders als die charmante und integrative Dagmar Enkelmann ist die als linke Hardlinerin geltende Politikerin manchen ihrer Genossen etwas zu kühl, berechnend, polarisierend. Sie hat nicht Enkelmanns einnehmendes Wesen. Bei der Wahl zur Vize-Fraktionschefin im letzten Herbst erhielt sie das schlechteste Ergebnis: Nur 15 von 29 Stimmen. Dass sie bei der Wahl zur Fraktionsvorsitzenden am 18. Oktober wesentlich besser abschneide, sei „keinesfalls sicher", prophezeien manche ihrer Fraktionskollegen. Nicht umsonst führe Fraktionsgeschäftsführer Heinz Vietze - die graue Eminenz der Fraktion - derzeit „Einzelgespräche", heißt es. Trotzdem steckt hinter der Personalie strategisches Kalkül: Kaiser steht für einen harten Oppositionskurs, wie sie bewiesen hat. Bei der Affäre um den aus dem Ruder gelaufenen V-Mann des Verfassungsschutzes Toni S. hat sie sich als Aufklärerin profiliert. Als Mitglied der Parlamentarischen Kontrollkommission setzte sie beim Verfassungsgericht Akteneinsicht durch. Übrigens wurde sie gegen heftigste Widerstände der CDU und Jörg Schönbohms in die PKK gewählt, die für den Verfassungsschutz zuständig ist. Ein ehemaliger Stasi-IM könne doch nicht den Verfassungsschutz überwachen, meinte Schönbohm damals. Selbst die SPD sorgte sich, ob Kaiser, in der PKK zur Verschwiegenheit verpflichtet, auch „dichthalten“ würde. Sie tat es. In Märkisch-Oderland, wo sie Kreischefin ist, gilt sie als Geburtshelferin der rot-roten Koalition - der bislang einzigem in einem Landkreis. Die dortige SPD bestätigt ihr: Sie sei „hart in der Ansage, aber sehr flexibel, sehr sachlich und verlässlich". Peilt sie nun Rot-Rot auch im Land an? „Wir werden sehen“, sagt Kaiser nur.
Michael Mara
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