zum Hauptinhalt

Brandenburg: Kultur des Hasses

9. Fachtagung des Verfassungsschutzes über Extremisten und Musik

Stand:

Potsdam - Ob auf Schulhof-CDs oder zum Download im Internet - Musik mit extremistischen Inhalten findet nach Einschätzung von Verfassungsschützern in Brandenburg auf Besorgnis erregende Weise Gehör. Sowohl Neonazis wie auch Linksextremisten verbreiteten ihre Botschaften verstärkt über Musik, befanden Experten auf einer Fachtagung des Landesverfassungsschutzes gestern in Potsdam.

„Kultur des Hasses - Extremisten und Musik“ war das Thema der 9. Fachtagung des brandenburgischen Verfassungsschutzes in Potsdam. Die propagandistische, gewaltverherrlichende Musik diene „als Einstiegsdroge, um junge Menschen in den Sog des Hasses hineinzuziehen“, sagte Innenminister Dietmar Woidke (SPD). Über die Songs werde das „Negative zur Kunstform erhoben – und darin steckt die Gefahr“, warnte er. Mit Indizierung, Strafverfolgung und Aufklärung müsse hier konsequent eingegriffen werden. Laut Landesverfassungsschutz stieg die Zahl der Neonazi-Konzerte erstmals seit Jahren wieder an. 2010 gab es mit landesweit vier Konzerten einen zwischenzeitlichen Tiefstand. 2011 fanden bereits acht Konzerte von Rechtsextremisten statt

In seinem Vortrag gab der Musiksoziologe Lutz Neitzert eine soziologische Einführung in das Phänomen rechtsradikaler Popkultur. Zu konstatieren sei, dass es bis zu Beginn der achtziger Jahre keine sich rechtsextrem definierende Rockmusik gab, was sich mit dem Erfolg der britischen Band Skrewdriver ändern sollte. Erstmals bedienten sich Rechtsextreme einer Musik, die sich durch etwas auszeichnete, was sie ideologisch eigentlich ablehnten: die Durchmischung von Kulturen und der Rückgriff auf schwarze Musiktraditionen. Inzwischen gäbe es kein popmusikalisches Genre, das nicht für faschistisches Gedankengut verwendet würde.

Expliziter ging anschließend Gordian Meyer-Plath, Referatsleiter beim Verfassungsschutz, auf die Überschneidungen rechts- und linksextremer Musik ein und fokussierte dabei auf das Land Brandenburg, das lange Zeit als Hochburg rechtsextremer Musik galt. Zurzeit seien 23 rechts-, aber nur sieben linksextreme Bands namentlich bekannt. Meyer-Plath stellte drei Bands aus beiden politischen Spektren vor und verwies auf die musikalischen und textlichen Ähnlichkeiten, die besonders in Aufrufen zur Gewalt bestehen.

Zwei weitere Schwerpunkte der Tagung bündelte Silke Wolf, ebenfalls vom Verfassungsschutz, in ihrem Vortrag „Black Metal und Islamismus“. Traditionell habe Black Metal weniger mit Islamismus als vielmehr mit Satanismus zu tun. Beiden gemein sei die Ablehnung des Christentums. In jüngster Zeit allerdings sei in islamischen Ländern ein rasantes Wachstum besonders der aggressiven Randbereiche des Heavy Metal zu verzeichnen.

Anschließend korrigierte der Kulturwissenschaftler und Musiker Manuel Trummer allzu pauschale Verallgemeinerungen über Black Metal. In ihren Anfangsjahren war das die Musik einer Handvoll minderjähriger Jugendlicher aus Norwegen, die mit den bevorzugten Inhalten des Heavy Metal – Autos und Frauen - wenig anzufangen wussten, dafür aber umso empfänglicher für Okkultismus, jedoch keineswegs politisch vernetzt waren. Zur Berühmtheit gelangte die Szene, nachdem der Gründerer der Band Burzum, Varg Vikernes, einen Mitmusiker ermordete. Im Gefängnis wandelte er sich zum Neonazi, publizierte Bücher und Zeitschriften, die eine tatsächliche Politisierung der Szene bewirkten. Sie mündete in der Bewegung des National Socialist Black Metal.

Ähnlich differenziert stellte der Islamwissenschaftler Jochen Müller die muslimisch geprägte Jugendkultur in Deutschland vor. Von der These ausgehend, dass der Islam als identitätsstiftend von den Jugendlichen auch dann noch wahrgenommen und verteidigt wird, wenn sie kaum religiös seien, stellte er Beispiele einer Musikkultur vor, die sehr unterschiedliche Intentionen verfolgt. Während Neuköllner Jugendliche rappend auf ihre Integriertheit pochen und der Weltstar Samy Yusuf für ein weltoffenes, wirtschaftlich erfolgreiches Leben mit dem Islam steht, benutzen radikale Strömungen wie der Salafismus die Musik als Medium, um ihrer strenge Moral und die wortgetreue Auslegung des Koran zu predigen. (mit dpa)

Lene Zade

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })