Brandenburg: „La Belle“-Anschlag: Entschädigung mit zweierlei Maß
US-amerikanische Opfer erhalten Millionen – viel mehr als die vor 22 Jahren verletzten Berliner
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Berlin - Über 22 Jahre nach dem Anschlag auf die Berliner Discothek „La Belle“ bekommen nun auch die US-Opfer eine Entschädigung – und nicht zu knapp: Jedes dieser 79 Opfer erhält in diesen Tagen mehr als 3,5 Millionen Dollar, insgesamt sind es 280 Millionen US-Dollar. Das lässt den Betrag mager erscheinen, die 2004 an die deutschen Opfer gezahlt wurde: 168 Verletzte bekamen zusammen 35 Millionen Dollar, das ergibt im Durchschnitt pro Person nur gut 208 000 Dollar. Die Beträge wurden damals gestaffelt: Je schwerer die Verletzung, desto mehr Geld bekam das Opfer. An die Hinterbliebenen der einzigen Berliner Toten wurde eine Million Dollar gezahlt.
„Diese Summen stehen nicht im Verhältnis“, sagt Katja Dames von der La-Belle-Opfergemeinschaft. Sie appelliert im Namen der deutschen Opfer an die Bundesregierung und Libyen, den deutschen Opfern „ausgleichende Gerechtigkeit“ zukommen zu lassen. „Unser Ziel ist es, eine Aufstockung zu erreichen“, sagt die 41 Jahre alte Dames, die den Anschlag als 18-Jährige überlebte.
„La Belle“ war in den Achtzigern eine bei US-Soldaten beliebte Diskothek in der Friedenauer Rheinstraße. In der Nacht auf den 5. April 1986 ging dort ein Drei-Kilo-Sprengsatz hoch. Zwei US-Soldaten und eine Berliner Türkin starben, 28 wurden schwer verletzt, der Hälfte der rund 500 Gäste zerriss der Luftdruck das Trommelfell. Als Auftraggeber wurde die Regierung Libyens ermittelt.
2004 hatte Libyen nach schwierigen Verhandlungen mit der Bundesregierung eingewilligt, 35 Millionen Dollar an die nicht-amerikanischen Opfer des Anschlags zu zahlen. Diese unterschrieben dafür eine Erklärung, in der sie auf Geltendmachung weitergehender Ansprüche verzichteten. „Wir waren damals Spielball der Politik und wurden zur Unterschrift gedrängt mit dem Argument, sonst bekämen wir wahrscheinlich gar nichts“, erinnert sich Dames, die weiß, dass ihre Forderungen chancenlos sind. Ihr Anwalt Axel Schirmack sagt: „Was damals ausgehandelt wurde, war für hiesige Verhältnisse sensationell – also dass es gelungen ist, einen Staat in Anspruch zu nehmen, obwohl kein Rechtsanspruch bestand.“ Sicherlich hätten auf beiden Seiten politische und wirtschaftliche Interessen eine große Rolle gespielt, aber: „Es gab keine Drucksituation, etwas unterschreiben zu müssen.“ Es sei einfach so, dass sich im Lauf der Geschichte manchmal Zeitfenster öffneten, und wenn man dann nicht hindurchgehe, dann schlössen sie sich eben wieder.
So haben Dames und die anderen Opfer das Angebot angenommen. „Uns wurde immer wieder eingetrichtert, die amerikanischen Opfer würden überhaupt keine Zahlung erhalten“, sagt Dames. Das schien tatsächlich unwahrscheinlich, denn die USA hatte im April 1986 Tripolis und Banghazi bombardiert – Vergeltungsschläge für „La Belle“. Nun aber hat Libyen kürzlich 1,5 Milliarden Dollar in einen Fonds gezahlt, aus dem Opfer libyscher Terroranschläge entschädigt werden sollen – neben „La Belle“ auch Opfer und Hinterbliebene des Flugzeugattentats über dem schottischen Lockerbie 1988.
Sie gönne ich den US-Amerikanern das Geld, sagt Dames. „Aber es ist mehr als das Zehnfache dessen, was wir bekommen haben. Und bei uns sind viele, die bis heute Operationen brauchen und dauerhaft erwerbsunfähig sind.“ Auch teure Anwälte habe man selbst bezahlen müssen. Sie selbst hatte Glück – ihr platzte nur das Trommelfell; bleibende Schäden erlitt sie nicht, jedenfalls keine äußerlichen. Innere schon: „Man hat bestimmte Ängste, die gehen nicht mehr weg.“
Anwalt Schirmack hält eine Nachzahlung für ausgeschlossen: „Rechtlich sowieso, aber ich sehe auch keine politische Unterstützung für Nachverhandlungen. Es gibt praktisch einen europäischen und einen US-Tarif für Schadensersatz.“ Fatina Keilani
Fatina Keilani
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