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Fördermittel-Skandal: Land stoppt Gelder für Netzwerk des Mittelstands
Die Landesagentur für Arbeit hat dem Wirtschaftsnetzwerk RKW die Gelder gesperrt. Wegen des Streits bum Provisionen fallen landesweit Schulungen aus. Der Streit kommt vor Gericht.
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Potsdam - Brandenburgs Landesagentur für Struktur und Arbeit (Lasa) und das für die Agentur zuständige brandenburgische Sozialministerium haben erneut mit einem Fördermittelskandal zu kämpfen – der auch ein Fall für die Justiz ist. In einer Woche befasst sich das Verwaltungsgericht Potsdam damit. Zudem stehen Betrugsvorwürfe im Raum.
Es geht um mehr als eine halbe Million Euro aus dem Europäischen Sozialfonds (ESF), über die sich die Lasa und die RKW Brandenburg GmbH mit Sitz in Potsdam streiten. Die RKW GmbH ist ein Regionalableger des Rationalisierungs- und Innovationszentrums der Deutschen Wirtschaft und tritt als Projektträger für Qualifizierungsmaßnahmen auf . Sie ist ein Ableger des deutschlandweit organisierten Netzwerks zur Förderung des Mittelstands. In Brandenburg bekam das Netzwerk in den vergangenen Jahren ESF-Mittel in Millionenhöhe.
Die Landesagentur hatte im Januar einen Auszahlungs- und Bewilligungsstopp für die Gelder verfügt. Grund waren ernste Hinweise auf Praktiken der RKW, die nicht mit dem Förderrecht vereinbar sind. „Leider war die RKW nicht bereit, abschließend zur Sachaufklärung beizutragen, sodass der Stopp aufrechterhalten wurde“, teilte ein Sprecher des von Minister Günter Baaske (SPD) geführten Sozialministeriums mit. Jetzt landet der Streit vor dem Verwaltungsgericht Potsdam. Am 5. Juni hat es über einen Antrag der RKW auf einstweilige Anordnung zu befinden, wonach die Lasa die ESF-Gelder in Höhe von 545 000 Euro auszahlen soll.
Dass die Landesagentur und das Sozialministerium derart rigide gegen den Projektträger vorgehen, hat seine Gründe: Nach dem Ende 2009 bekannt gewordenen Abrechnungsskandal bei der Lasa um schlampig geführte Förderunterlagen wollte sich das Sozialministerium diesmal von vornherein nichts vorwerfen lassen. Damals drohte dem Land der Verlust von 77 Millionen Euro aus dem ESF. Dies konnte nur durch akribische Aufarbeitung der Akten und massiven Personaleinsatz abgewendet werden.
Berater und Trainer, die Führungskräfte mittelständischer Unternehmen schulen und fortbilden, hatten sich erstmals im Dezember 2011 an die Lasa gewandt und sich über die RKW beschwert. Die RKW vermittelt die jeweiligen Förderprogramme, beantragt bei der Lasa die Fördermittel und bezahlt die Berater. In Zusatzverträgen aber fordert die RKW einen Anteil von bis zu zehn Prozent der Coachingkosten für Projektkonzeption, Antragstellung bei der Lasa und die Internetplattform für das Förderprogramm als Provision. Aus Sicht des Sozialministeriums verstößt das aber gegen die Richtlinien. Demnach müsste die RKW alle ihre Kosten – für das eigene Personal, das Projektmanagement und die Berater – aus der 70-prozentigen Förderung und dem 30-prozentigen Eigenanteil der Mittelstands-Führungskräfte begleichen.
Das sieht die RKW anders. Geschäftsführer Ulrich Hoffmann wies die Vorwürfe zurück. Es gehe um Vorleistungen seines Unternehmens, die nicht förderfähig seien. „Wir müssen für jeden Förderantrag Vorarbeiten leisten, die die Berater sonst selbst erbringen müssten.“ Zudem sei das Vorgehen der Lasa befremdlich: Zwar sei die Zahlung gestoppt, nicht aber der Zuwendungsbescheid aufgehoben worden, was verwaltungsrechtlich zwingend erforderlich wäre. Es sei alles getan worden, um den Sachverhalt aufzuklären. „Die Arbeitsverweigerung der Lasa ist insolvenzgefährdend“, sagte Hoffmann. Er hat zwischenzeitlich selbst in der Staatskanzlei von Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) interveniert, da der Regierungschef im Kuratorium des RKW-Bundesvereins sitzt. Die Staatskanzlei wollte sich jedoch nicht einmischen und verwies auf die Lasa.
Zahlreiche Schulungen im Mittelstand liegen wegen des Streits derzeit auf Eis und können nicht beendet werden. Mehrere Berater und Unternehmerinnen, die an einem Programm für weibliche Führungskräfte teilnehmen, sagten den PNN, sie fühlten sich getäuscht. Eine Unternehmerin erklärte, sie werde bei der Staatsanwaltschaft eine Betrugsanzeige gegen die RKW stellen. Einige Berater haben bereits Anwälte eingeschaltet, um ihre Honorare bei der RKW einzufordern.
Obwohl der Zahlungsstopp bereits im Januar verhängt wurde, informierte die RKW erst Ende April offiziell in einem Schreiben die Beteiligten über die „Bearbeitungs- und Zahlungsstockung“. Und noch im Mai gingen Rechnungen an Berater heraus, die für RKW-Vorleistungen zahlen sollten – obwohl die Schulungen nicht fortgesetzt werden können. Für RKW-Chef Hoffmann aber herrscht rein rechtlich ein Zustand, als würde das Fördeprogramm weiterhin laufen, nur die Lasa nicht ihrer Verpflichtung nachkommen.
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