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Rundreise. Joachim Gauck, der von SPD und Grünen nominierte Präsidentschaftskandidat, besuchte am Dienstag in Potsdam die Landtagsfraktionen von Grünen und SPD und sprach auch mit den Fraktionschefs Axel Vogel (Grüne, l.) und Dietmar Woidke (r.).

© dpa

Von Thorsten Metzner: Landes-SPD schließt Frieden mit Gauck

Potsdam - Ehe er seine Vorstellung beginnt, ist ihm eine persönliche Bemerkung wichtig. Er freue sich, dass Matthias Platzeck extra gekommen sei.

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Potsdam - Ehe er seine Vorstellung beginnt, ist ihm eine persönliche Bemerkung wichtig. Er freue sich, dass Matthias Platzeck extra gekommen sei. Man kenne sich lange, auch aus der ersten freien DDR-Volkskammer, sagt Joachim Gauck. „Und da gibt es etwas Unzerstörbares, das diejenigen verbindet, die damals dabei waren egal, ob man sich umarmt oder zofft.“ So beginnt er, der rot-grüne Kandidat für das Bundespräsidentenamt, der sich an diesem Dienstag auf Einladung von SPD und Grünen im Potsdamer Landtag präsentiert, offen für alle Abgeordneten. Und nach einer kurzen Intervention auch für die Öffentlichkeit. Es ist ein ungewöhnlicher Auftritt, gerade hier, gerade an diesem Ort, in dem er fast zwei Jahrzehnte nicht mehr war. Später wird Joachim Gauck, der heute ins Berliner Abgeordnetenhaus kommt, der noch weitere Landtage aufsuchen wird, selbst sagen: „Das hat hier schon ein besonderes Kolorit.“ Und das nicht allein, weil Platzeck eine rot-rote Koalition gebildet hat, was er ebenso kritisierte wie dessen Aufruf zur Versöhnung mit früheren SED–Eliten. Nun lobt ihn der Regierungschef in den höchsten Tönen: „Ich habe mich über seine Kandidatur sehr gefreut.“

Im gleichen Raum 324 hatte vor eineinhalb Jahrzehnten ein Untersuchungsausschuss getagt, der die Stasi-Kontakte des früheren Ministerpräsidenten Manfred Stolpe untersuchte. Er ging auf einen Bescheid von Joachim Gauck zurück, damals Chef der Stasi-Unterlagenbehörde. Seitdem machte ihn die Brandenburger SPD für die „Kampagne“ gegen den „Landesvater“ verantwortlich, das Tischtuch war zerschnitten. Aber das alles ist an diesem Tag kein Thema. Nicht drinnen, und auch nicht draußen, als Gauck von Journalisten danach gefragt wird. „Ich habe keine Vorbehalte gespürt. Und ich werde das Thema nicht aufmachen.“ Ulrike Poppe, die Landes-Diktaturbeauftragte, merkt mit fröhlich klingendem Unterton an. „Es ist doch schön, wenn Menschen dazulernen.“

Tatsächlich entsprach der Kandidat, der in druckreifen Sätzen von Freiheit und Demokratie sprach, den Afghanistan–Einsatz der Bundeswehr verteidigte, souverän, mit  Mutterwitz, immer wieder ein Lächeln in den Reihen und zustimmendes Nicken entlockte, so gar nicht dem Bild, ja dem bisherigen Feindbild, das gerade in Brandenburg bei SPD und Linken bisher ziemlich verbreitet war.

Er sei kein Gegner der Parteien, sagte Gauck etwa. Man müsse froh sein, wenn sich Menschen engagieren, „sonst Gute Nacht, Marie!“ Einer, dem der Trend zum Unpolitischen gegen den Strich geht. Wenn Bürger nur noch Konsumenten seien, könne „das niemandem gefallen“. Neugierig ging er auf den jungen Linke–Abgeordneten Torsten Krause ein, als der nach Defiziten der Bundesrepublik fragte. Engagement für eine bessere Welt respektiere er, antwortete Gauck. „Es ist etwas anderes, wenn mir ehemalige Nomenklatura-Funktionäre Ihrer Partei sagen, ich sei ein Ewiggestriger.“ Sein Wirken stehe „für politische Aufklärung“. Und da gebe es auch zur Linken neben Differenzen durchaus Schnittmengen.

Es waren auch einige bekannte Brandenburger Linke gekommen, um trotz der eigenen Kandidatin diesen Joachim Gauck, den die Berliner Spitze – bisher – für unwählbar hält, zu hören, Fraktionschefin Kerstin Kaiser, die Minister Ralf Christoffers und Volkmar Schöneburg, der Abgeordnete Hans–Jürgen Scharfenberg. Mancher blickte sehr nachdenklich. Geht da doch noch etwas, vielleicht in einem möglichen zweiten Wahlgang?

Aus den schwarz-gelben Reihen, aus dem Lager, das Gauck bislang näher stand, war die Resonanz spärlicher. Als einzige kam die junge FDP-Abgeordnete Linda Teuteberg. Sie würde Gauck wählen, ist allerdings nur stellvertretende Delegierte für die Bundesversammlung. FDP-Vertrauensfrau ist die parlamentarische Geschäftsführerin Marion Vogdt. Diese sei in ihrer Entscheidung „frei“, betonte Fraktionschef Hans-Peter Goetz. Aus der Union war niemand da. Aber Vize-Fraktionschef Dieter Dombrowski vermied auf einer Pressekonferenz jedes kritische Wort zu Gauck. Nur, dass dieser jetzt auch von Brandenburgs SPD unterstützt wird, sagte Dieter Dombrowski sei schon ein „Anachronismus“. Da würden ihm selbst Sozialdemokraten nicht widersprechen.

Das Video wurde uns freundlicherweise von PotsdamTV zur Verfügung gestellt.

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