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Umstritten. Hochhaus an der East Side Gallery.

© Kitty Kleist-Heinrich

Brandenburg: Lasst es Liebe sein

An der East Side Gallery boomt der Tourismus. Nicht allen Besuchern ist klar, dass es hier früher kein Entrinnen gab

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Berlin - Ein kleines rostiges Gitter versperrt eine Maueröffnung. Niemand weiß, warum die Betonmeile der East Side Gallery hier einst unterbrochen war. Das Gitter könnte Befremden und Beklommenheit auslösen, aber die Touristen schauen vergnügt hindurch, machen Spaßfotos, ziehen Grimassen. Die Stäbe sind mit Liebesschlössern behängt. Ein Mauergitter als Ort für das ewige Liebesversprechen. Passt das hierher?

Die East Side Gallery ist 24 Jahre nach ihre Gründung populärer denn je. Und entfernt sich mit jedem Jahr weiter von ihrer Bestimmung als Mahnmal. Historische Informationen gibt es nur im privaten Mauershop und bei Führungen. Das soll nun anders werden. Senat und Stiftung Berliner Mauer verhandeln über eine Aufnahme der East Side Gallery in die Stiftung. Parallel wird ein Denkmalpflegekonzept erarbeitet. Es geht darum, wie Berlin auf die steigenden Besucherzahlen reagieren soll. Wie geht man mit dem Busverkehr um? Welche Informationen sollen vor Ort abrufbar sein?

Dass die East Side Gallery mehr Originalmauer bietet als die zentrale Gedenkstätte an der Bernauer Straße, ist den Verantwortlichen schon lange klar. Mit der Belebung der Umgebung als Geschäfts- und Ausgehviertel steigt auch die Bedeutung der East Side Gallery. Der Name prägt inzwischen das Viertel an der O2-Arena. Das East-Side-Hotel, das Restaurant Pirates im ehemaligen Getreidespeicher und die Hostelschiffe Southern und Western Comfort profitieren direkt vom Mauertourismus. Und das ist erst der Anfang.

An der East Side Gallery wird künftig auch gewohnt. Der Turm „Living Levels“ des ehemaligen Stasi-Spions Maik Uwe Hinkel ist inzwischen halb fertig. Wie viele Wohnungen bislang verkauft sind, ist unklar. Die Vermarktungsplattform im Internet gibt die Zahl der verkauften Wohnungen mit 60 Prozent an. Ein Sprecher von Hinkel erklärt diese Zahl jedoch für veraltet. Zum Stand der Verkäufe werde man sich nicht äußern. 2015 soll der umstrittene Wohnturm fertig sein. Ob die Mauerlücke an der Baustellenzufahrt dann wieder geschlossen wird, macht Hinkel von den Verhandlungen mit dem Nachbarn abhängig.

Südlich neben dem Turm soll das Bauprojekt „Waterfront Living“ realisiert werden. Seit Anfang des Jahres gibt es dafür eine Baugenehmigung, doch seitdem ist nichts geschehen. Der israelische Investor Alon Mekel redet nicht öffentlich über sein Projekt. Hans Panhoff, grüner Baustadtrat von Friedrichshain-Kreuzberg, wünscht sich, dass Mekel sein Vorhaben wieder aufgibt und das Grundstück dem Land zum Kauf anbietet, damit der East Side Park erweitert werden kann.

Die Bauvorhaben zerteilen den East Side Park derzeit in zwei Hälften. Irgendwann soll ein durchgehender Uferweg angelegt werden, in ferner Zukunft auch eine Rad- und Fußgängerbrücke, der Brommysteg, ans andere Ufer der Spree. Weil es zwischen Senat, Bezirk und den Investoren kein Einvernehmen gibt, verlaufen die Verhandlungen über Uferweg und Mauerlücken aber sehr zäh.

Das touristische Angebot rund um die East Side Gallery wird dagegen immer vielseitiger. Es gibt Imbisswagen, Getränkeautomaten, Gepäckschließfächer, Münzprägung und Straßenmusik. Auch Hütchenspieler haben erkannt, dass Mauertouristen leicht abzulenken sind. Mauermemorabilien können an mehreren Stellen erworben werden. Kostenlos ist bislang noch das Fotografieren der Mauerkunst. Thomas Loy

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