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Brandenburg: Lebenslang für Doppelmord im Drogenmilieu
Landgericht: Täter wollten Marktposition im Drogenhandel in Brandenburg/Havel übernehmen
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Potsdam - Am Ende, als das Urteil gesprochen ist, bricht Peter Kloss in Tränen aus: „Egal welches Urteil gefällt wurde, es bringt mir meinen Sohn nicht zurück“. Sein Sohn Oliver, damals 21 Jahre alt, und dessen Freund Mark wurden im Juli 2010 ermordet – von Dennis B. (26) und Martin G. (27). Das Landgericht Potsdam verurteilte diese am gestrigen Donnerstag wegen Doppelmordes aus niederen Beweggründen zu lebenslanger Haft.
Was sich vor einem Jahr in Brandenburg/Havel abgespielt hat, ist selbst für den Vorsitzenden Richter der Schwurgerichtskammer, Frank Tiemann, kaum zu fassen. „Wenn es nicht passiert wäre, wäre es eine unglaubliche Geschichte.“ Die beiden Verurteilten hätten am 19. Juli 2010 den 22-jährigen Drogendealer Mark und dessen – an diesem Tag zufälligen – Begleiter Oliver und die Leichen verbrannt, so Tiemann. Es sei ihnen einzig darum gegangen, im Drogenhandel die „Marktposition zu übernehmen“.
B., Spitzname „Bomba“ kam aus dem Knast nach Brandenburg/Havel. Aufgewachsen ist er in Berlin-Kreuzberg, die Mutter Alkoholikerin, der Vater irgendwann fort. Früh wurde ihm ADHS diagnostiziert, das Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivtäts-Syndrom. Ab der dritten Klasse schwänzte er die Schule und ging nach der sechsten Klasse ohne Abschluss ab. Mit 13 Jahren nahm er die ersten Drogen und probierte alles außer Heroin. Sein Vorstrafenregister ist mit 27 Fällen randvoll – Körperverletzung, Sachbeschädigung, Diebstahl. Viele Verfahren wurden nach Jugendstrafrecht eingestellt. „Beim zehnten Eintrag in das Register fragt man sich schon, ob das sinnvoll war“, sagt Tiemann. Schließlich saß er zwei Jahre wegen schweren Raubes hinter Gittern. B. ist alles andere als scheu, muskulös gebaut – und zeigt dies gern. Er sitzt aufrecht, immer wieder schaut er direkt ins Publikum im Gerichtssaal, er hält die Blicke aus.
Das ganze Gegenteil ist Martin G. Vor Gericht wendet er sich von den Zuschauern ab, die Schultern hängen, er senkt den Blick, stützt das Kinn auf die Hände. Er wuchs in Neuruppin auf, in der Schule suchte er stets Aufmerksamkeit. Der Vater war Alkoholiker. Die Eltern kümmerten sich überwiegend um den schwerkranken Bruder. Irgendwann wurden bei G. Verhaltens- und Anpassungsstörungen festgestellt. Es folgte eine Odyssee durch verschiedene Therapie-Einrichtungen. Der Vorsitzende Richter will gar nicht erst anfangen, die Liste vorzulesen. Eine Liste von Einrichtungen, „die sich seiner entledigt haben, wenn man nicht mehr mit ihm klar kam“. Ein Abgeschobener. Die Schule verließ er ohne Abschluss nach Klasse acht, er fing früh an mit dem Alkohol. Er wurde sozialpädagogisch behandelt, sollte resozialisiert werden. Bei einem Dorfprojekt in Namibia vergewaltigte und schlug er mit drei anderen Männern eine Frau. G. landete im Gefängnis.
Bei dem Mord spielte er die „Rolle des nützlichen Idioten“ für B., den eine gewissen „Bauernschläue“ auszeichne, sagt Tiemann. „Bomba“ heckte den Plan aus, wie sie den Drogenmarkt übernehmen – samt Mord. G. begriff erst zum Schluss, worum es ging und machte dennoch mit. „Die müssen jetzt weg“, sagte ihm Dennis B.
Zuvor hatte G. die Opfer in seine Wohnung gelockt. Die Täter überwältigten die Männer, fesselten sie über Stunden an Händen und Füßen, raubten sie aus. Nachdem der Drogerdealer sein Versteck verraten hatte, legten sie den gefesselten Männern Kabelschlingen um den Hals und zogen zu. Sie wickelten die Körper in Laken und schafften sie in den Keller, zwei Tage später dann zu einer nahegelegenen Turnhalle. Dort legten sie die Körper unter ein Holzpodest und zündeten sie an. Eines der Opfer war zuvor nur bewusstlos und starb in den Flammen.
Martin G. schaute von seinem Balkon aus zu und rauchte eine Zigarette. Später plagten ihn Gewissensbisse, er sprach mit Freunden und stellte sich der Polizei. In einer Erklärung vor Gericht entschuldigte er sich bei den Familien der Opfer: „Ich bereue und würde es gern ungeschehen machen.“ Sein Freund „Bomba“ stritt eine Tatbeteiligung in einer Erklärung ab. Bei ihm stellte das Gericht eine besondere Schwere der Schuld fest. Nach 15 Jahren Haft wird es ihm damit schwer gemacht, auf Bewährung herauszukommen. Sein Anwalt will Revision vor dem Bundesgerichtshof (BGH) einlegen.
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