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Angeklagt. Ex-Minister Wolfgang Fürniß auf der Anklagebank.

© dpa/Uwe Anspach

Prozess um Ex-Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß: Lehrer, Minister, Betrüger, Fürnix

Wolfgang Fürniß, einst in Brandenburg für Wirtschaft zuständig, steht in Heidelberg vor Gericht. Er soll Freunde und Bekannte um 500.000 Euro betrogen haben.

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Heidelberg/Potsdam - Der Ärger ist einigen Zuschauern im Saal des Heidelberger Landgerichts anzumerken: Immer wieder geht ein Raunen durch den Raum, es gibt viel Kopfschütteln und verächtliches Lachen. Manche sehen einen ehemaligen Freund auf der Anklagebank sitzen, der ihr Vertrauen oder das eines Nachbarn ausgenutzt haben soll, um sich zu bereichern. Der 70 Jahre alte ehemalige brandenburgische Wirtschaftsminister Wolfgang Fürniß (CDU) wirkt indes am Mittwoch zum Prozessauftakt gelassen, verzieht kaum eine Miene, als der Staatsanwalt die Anklageschrift verliest.

Dennoch zeigte er sich reumütig. Der langjährige CDU-Politiker gestand, Freunde und Bekannte um fast 500 000 Euro gewerbsmäßig in 20 Fällen betrogen zu haben. „Ich möchte mich bei allen, denen ich Schaden zugefügt habe und deren Vertrauen ich missbraucht habe, entschuldigen“, sagte Fürniß zum Prozessauftakt. „Ich schäme mich dafür und würde alles dafür tun, den Schaden zu begrenzen.“

Demut kommt zu spät

Der Ex-Politiker war bereits im Oktober vergangenen Jahres in Hamburg verhaftet und in Untersuchungshaft genommen worden. Die Staatsanwaltschaft Heidelberg wirft ihm vor, über Jahre Investitionsmöglichkeiten, aber auch eine schwere Krankheit vorgetäuscht zu haben, um an Geld zu kommen. Die jetzige Demut des Angeklagten kommt allerdings etwas spät. Schon mehrfach fiel der schillernde CDU-Politiker durch fragwürdige Finanztransfers und einen gewissen Hang zur Hochstapelei auf. In der Hochzeit der Heidelberger Studentenbewegung war Fürniß, damals noch selbst Student, der Jungen Union beigetreten. Nach seinem Referendariat wechselte der Gymnasiallehrer für Geschichte, Gemeinschaftskunde und Englisch 1973 schnurstracks ins Bildungsministerium von Baden-Württemberg. Er war damals erst 29 Jahre alt. Bis 1984 arbeitete der Jung-Politiker in verschiedenen Stuttgarter Ministerien, unter anderem für Lothar Späth und den späteren Bundespräsidenten Roman Herzog.

Danach machte Fürniß Karriere in seiner Heimatstadt Wiesloch bei Heidelberg. Acht Jahre lang war er dort Oberbürgermeister – und hier gab es erstmals öffentliche Kritik an seiner Amtsführung. Die Stadt war hoch verschuldet, als er 1992 das Amt verließ. Er wechselte aus der Politik in die Privatwirtschaft, nämlich zu SAP im benachbarten Walldorf. „Generalbevollmächtigter“ für den weltweiten Aufbau der SAP lautete seine offizielle Funktionsbezeichnung. Intern hatte Fürniß bei SAP den Spitznamen „Fürnix“.

Geplante Chip-Fabrik ins Wasser gefallen

Ende der 90er-Jahre trennte sich SAP von dem „Generalbevollmächtigten“. Als Fürniß 1999 als Wirtschaftsminister nach Brandenburg kam, wurde seine Kompetenz von Beginn an in Zweifel gezogen. Er sollte Firmen nach Brandenburg holen. Aber zunächst fiel er durch seinen möglicherweise zu Unrecht benutzten amerikanischen Honorarprofessorentitel auf. Man munkelte auch, dass sein Wirken bei SAP nicht sehr erfolgreich gewesen sei. Das waren allerdings Lappalien im Vergleich zu dem, was folgte.

Fürniß hatte eine Million Dollar von einem Scheich aus dem Emirat Schardscha erhalten, als Privatkredit. Schardscha grenzt an das Emirat Dubai, das Hauptinvestor für eine Chipfabrik in Frankfurt (Oder) werden sollte. Das Projekt wurde nie realisiert. Fürniß musste 2002 nach nur dreijähriger Amtszeit als Wirtschaftsminister in Brandenburg zurücktreten. Er habe mit dem Privatkredit Schulden beglichen, hieß es damals. Die Ermittlungen wegen Bestechlichkeit und Haushaltsuntreue gegen Fürniß wurden 2007 eingestellt. Es bestand der Verdacht, das Geld sei eine Gegenleistung, damit sich Fürniß bei der Chip-Fabrik für die Emirate als Investor starkmachte.

Die Geldnöte verließen den Ex-Politiker nicht. Sie sollen laut Anklage auch Motiv für den gewerbsmäßigen Betrug gewesen sein, den ihm die Staatsanwaltschaft jetzt vorwirft. „Er hat deutlich über seine Verhältnisse gelebt“, sagt Staatsanwalt Markus Schmitt am Rande der Verhandlung. „Die Straftaten hat er begangen, um seine aufwendige Lebensführung zu finanzieren.“ Um an Geld zu kommen, soll er zwischen 2009 und 2014 Weggefährten und engen Freunden haarsträubende Lügengeschichten aufgetischt haben: Er gaukelte ihnen laut Staatsanwaltschaft lohnende Investitionsmöglichkeiten vor, beispielsweise eine Beteiligung an Altgold-Ankäufen oder an Schiffen aus Afrika, die Kupfer nach China bringen sollten. Auch soll er vorgegeben haben, schwer krank zu sein und Geld für eine Therapie in den USA zu brauchen.

1500 Euro Rente im Monat

Derzeit lebt er mit seiner Frau in Hamburg, mit dem einstigen Lebensstil ist es vorbei, Immobilien in Florida und Spanien mussten verkauft und die Mitgliedschaft im Golfclub beendet werden. Nach eigenen Angaben lebt Fürniß von 1500 Euro Rente.

Der Prozess vor dem Landgericht Heidelberg ist bis April terminiert. Eine wichtige Frage in dem Prozess wird sein, ob Fürniß aus Gesundheitsgründen bedingt schuldfähig ist. Seine Frau erzählt von einer manischen Depression und einer falschen Parkinson-Diagnose, wegen der er Medikamente nahm, die ihm geschadet hätten.

Die Anklagebehörde rechnet mit einer „empfindlichen Haftstrafe“. Staatsanwalt Schmitt sagt über den Angeklagten: „Er muss sehr überzeugend gewesen sein. Er hat wohl einen gewissen Vertrauensvorschuss gehabt.“ Anders sei nicht zu erklären, weshalb so viele Menschen auf seine Masche hereingefallen seien. (Mit Alexander Fröhlich)

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