Ausstellung von Gunther von Hagens in Berlin: Leichenschau am Fernsehturm soll verboten werden
Die Leichenschau von Gunther von Hagens unterm Fernsehturm war schon genehmigt. Nun soll das Gesundheitsamt sie doch verbieten: Weil sie nicht der Wissenschaft dient.
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Berlin - Der öffentliche Druck ist zu groß, die geplante Leichenschau von Plastinator Gunther von Hagens am Fuße des Fernsehturms wird in Raten – nun ja – begraben. Heftige Kritik kam von der am Alexanderplatz ansässigen Kirchengemeinde St.Petri-St.Marien, einhellige Ablehnung von den Fraktionen im Bezirk, Bedenken hatten auch die anderen Mieter in den Pavillons am Fuße des Turms. Nun ist klar: Von Hagens kann nicht mit einer Ausnahmegenehmigung rechnen, die ihn von den Regeln des Bestattungsgesetzes entbunden hätte.
Eine solche Sondererlaubnis ist aber erforderlich, um tote Körper auszustellen. Ansonsten gilt grundsätzlich, dass Tote beerdigt werden müssen. Noch ist die Entscheidung allerdings nicht gefallen. „Wir haben prüffähige Unterlagen angefordert, auf die wir jetzt warten“, sagt Bezirksbürgermeister Christian Hanke (SPD). Und Stefan Draeger, SPD-Fraktionsvorstand in Mitte, sagt: „Im Bezirk sind wir uns aber einig: Wir wollen die Ausstellung nicht.“
Bezirksbürgermeister Hanke sagt, einer Genehmigung für die Zurschaustellung von Leichen stünden „sehr hohe Hürden“ im Wege, denn sie verstoße eigentlich gegen das Bestattungsgesetz. Ausnahmen müssten sehr gut und wissenschaftlich begründet werden. Denn das deutsche Recht sieht eine Pflicht zur Bestattung vor und zwar „sowohl aus hygienischen Gründen“ als auch „der Pietät wegen“. Die Plastinate, die durch die Präparierung vor dem Verwesen geschützt seien, „sind Leichen im Sinne des Bestattungsgesetzes“ – und dieses Gesetz verbiete eben deren „öffentliche Ausstellung“.
Allerdings gibt es auch ein Schlupfloch, das von Hagens nutzen will: nämlich die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre. Diese hat Vorrang vor dem Bestattungsgesetz. Sein „Plastinarium“ in Guben, an der Grenze zu Polen, wird auf dessen Website ausdrücklich als „Lernwerkstatt“ vorgestellt mit dem Zweck, „anatomische Großplastinate für die Ausbildung von Ärzten und medizinischen Laien“ herzustellen. Von Hagens beansprucht demnach einen Bildungsauftrag für seine Plastinate, die im Dienste von Aufklärung und Wissenschaft stünden – und aus diesem Grunde nicht unter das Bestattungsgesetz fielen. Von Hagens war am Freitag bis Redaktionsschluss nicht zu erreichen. Seine Mitarbeiter in Guben wollten keine Auskunft in der Sache geben.
„Die Leichenschau verstößt gegen die Menschenwürde und hat mit Kunst und Kultur nichts zu tun“, sagte Cornelia Seibeld, stellvertretende Fraktionschefin der CDU im Abgeordnetenhaus. Sie rechnet deshalb nicht damit, dass eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. „Die Zurschaustellung von Körperteilen und Leichen ist pietätlos“, sagte Aliye Stracke-Gönül, Bezirksverordnete der SPD in Mitte. Auch als Muslima lehne sie die Pläne des Plastinators deshalb ab.
Heftige Kritik an der Leichen-Schau übt auch die am Alexanderplatz ansässige Kirchengemeinde „St.Petri-St.Marien“. Die „Zurschaustellung toter Körper ist nicht vereinbar mit der Würde des Menschen, die über den Tod hinaus besteht“, sagt Sprecherin Anna Poeschel. Deshalb hatten die Gemeindevorsitzende und die Pfarrerin einen offenen Brief an Baustadtrat Carsten Spallek (CDU) verfasst mit der Bitte, die baurechtliche Genehmigung zurückzunehmen. Das Bauamt hatte die Genehmigung für den Umbau der Gewerbeflächen und deren Nutzung zu Ausstellungszwecken erteilt: Das Museum soll im Herbst öffnen und eine Fläche von 1200 Quadratmetern bieten.
Auch der Kirchenkreis Berlin-Stadtmitte hatte sich in einer Erklärung gegen die Leichen-Schau gewandt: „Tote sind keine Ausstellungsstücke“, heißt es darin, Hagens’ Show sei Voyeurismus – „unter dem Vorwand medizinischer Aufklärung und Wissensvermittlung“. Dagegen „erlegt sich der Senat Zurückhaltung auf“ im Streit um das Plastinaten-Museum, wie Finanzstaatssekretärin Margaretha Südhoff auf eine Anfrage der Linksfraktion mitteilte. Hagens’ Museum sei eine „private Aktivität“ und werde nicht auf öffentlichem Grund eingerichtet. Und solange sich das „im Rahmen der gesetzlichen Bestimmungen“ bewege und keine „grundgesetzwidrigen Aspekte eine Rolle“ spielten, halte man sich eben zurück.
Meinung
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