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Brandenburg: Letzte Ruhe für jüdische NS-Opfer

SS verscharrte Überreste ehemaliger KZ-Häftlinge in Kiesgrube. Nun soll das Gelände im Kreis Spree-Neiße als jüdischer Friedhof geweiht werden

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Schenkendöbern - Über Jahre lagen die Gebeine der KZ-Häftlinge in der Asservatenkammer der Staatssicherheit in Frankfurt (Oder). Seit 1971 bewahrte sie der DDR-Geheimdienst in schnöden Schuhkartons auf. Nun sollen sie bestattet werden, zugleich will der Zentralrat der Juden in Deutschland am Dienstag einen jüdischen Friedhof in der Gemeinde Schenkendöbern (Spree-Neiße) weihen. In der früheren Kiesgrube waren 1958 zufällig die von der SS verscharrten Überreste von zwölf und im Mai 1971 von 577 weiteren Opfern des nahe gelegenen KZ-Außenlagers Lieberose (Dahme-Spreewald) gefunden worden.

Die Gebeine seien damals entgegen jüdischer Riten exhumiert worden, berichtet der Sprecher der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten, Horst Seferens. Schließlich seien sie im Krematorium Forst (Spree-Neiße) verbrannt worden, ein Teil der Asche wurde – so geht es aus den Akten hervor – in Lieberose bestattet, wo die DDR 1973 eine KZ-Gedenkstätte einweihte. Der Verbleib der übrigen Asche ist unklar, ebenso verschwiegen die DDR-Oberen, dass das Lager Lieberose in Jamlitz nach dem Krieg als sowjetisches Speziallager genutzt worden war, wo binnen zwei Jahren mehr als 3400 Menschen zu Tode kamen.

Bei der Suche nach einem weiteren Massengrab fanden die Forscher der Stiftung heraus, dass noch immer sterbliche Überreste in der Kiesgrube liegen. Damit gilt der Ort nach jüdischem Glauben als Grabstätte, der Boden als heilig. Auf Bitten des Zentralrats und der Gedenkstättenstiftung wurde das Areal nun von der Gemeinde Schenkendöbern mit Geldern der brandenburgischen Landesregierung als Friedhof gestaltet.

Dort werden auch die Körperteile bestattet, die die Stasi 1971 als Beweismittel mitgenommen hatte. Es handelt sich laut Peter Fischer vom Zentralrat der Juden um Knochen, in denen noch die Projektile der SS-Waffen steckten. Bestattet werden müssten auch damals gefundene Gebisse und Prothesen samt Goldzähnen, die die Stasi ebenfalls aufbewahrte. Doch davon fehlt jede Spur. „Laut Aktenlage wurden sie in den 1980er Jahren der Finanzverwaltung der Stasi übergeben. Was damit geschehen ist, wissen wir nicht“, so Stiftungssprecher Seferens.

Bei der Auflösung des Außenlagers in Jamlitz Anfang Februar 1945 hatte die SS auf Befehl von Reichsführer Heinrich Himmler 1342 kranke und gehunfähige KZ-Häftlinge ermordet, die meisten waren jüdische Häftlinge aus Ungarn und Polen. Der Verbleib der sterblichen Überreste von 753 Opfern des Massakers ist unklar. Eine dreiwöchige Suchgrabung in Jamlitz endete Mitte Mai erfolglos, nachdem zuvor jahrelang mit dem Eigentümer der Fläche darüber gestritten worden war.

Nun soll auf dem Nachbargrundstück weiter gegraben werden. Denn die Archäologen stießen zumindest auf Barackenreste des früheren Außenlagers des KZ Sachsenhausen und Inventar wie Kochgeschirr von Häftlingen. Bislang ist das der wichtigste Fund nach der lange vergeblichen Suche auf insgesamt etwa 20 Verdachtsflächen.

Wann das Nachbargrundstück abgesucht werden kann, ist aber ungewiss. Die Generalstaatsanwaltschaft Brandenburg ermittelt wegen Mordes gegen unbekannt. „Wir prüfen, ob wir die Ermittlungen fortführen und einen Durchsuchungsbeschluss erwirken“, sagte Oberstaatsanwalt Wilfried Lehmann. Allerdings könnte das Verfahren ins Leere laufen, denn dafür braucht es einen Tatverdächtigen. Und wenn der nicht gefunden wird, muss das Innenministerium mit dem Eigentümer verhandeln. Die dort angesiedelte Jamlitz-Kommission hat sich zwar für eine baldige Untersuchung der Fläche ausgesprochen, Minister Jörg Schönbohm (CDU) nannte es eine „politisch-moralische und zutiefst menschliche Verpflichtung“. Und selbst der Eigentümer des Grundstücks ist bekannt, doch parallel zu dem Verfahren der Staatsanwälte verhandelt das Ministerium nach eigenen Angaben nicht mit ihm.

Alexander Fröhlich

Alexander FröhlichD

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